Die US-Polizei hat den zweiten Häftling gefasst, der aus einem Hochsicherheitsgefängnis in New York geflohen war. Unklar bleibt, wie die spektakuläre Flucht überhaupt gelang – und wie die Straftäter den Fahndern drei Wochen lang entkommen konnten.

New York - Das Ende der Jagd kam plötzlich und beinahe zufällig. Drei Wochen lang hatten Tausende von Polizisten die Dörfer und Wälder nahe der kanadischen Grenze nach den beiden entlaufenen Strafgefangenen aus dem US-Staatsgefängnis Dannemora durchkämmt. Am Sonntag lief ihnen der zweite der beiden Flüchtigen, David Sweat, direkt in die Arme.

 

Um Viertel nach Drei an einem verhangenen Sommernachmittag sah ein Sergeant der New Yorker Staatspolizei einen Mann in Armeekleidung die Landstraße nahe des Ortes Constable entlang joggen. Als der Beamte, Jay Cook, den Jogger anhalten wollte, um nach seinen Personalien zu fragen, rannte dieser auf den nahe gelegenen Waldrand zu. Cook zog seine Waffe und schoss Sweat drei Mal in den Rücken.

Nun wird David Sweat im Krankenhaus von Albany wegen seiner Verletzungen behandelt, er wird aller Voraussicht nach überleben. Sein Kompagnon, Richard Matt, hatte weniger Glück. Matt wurde bereits Ende der vergangenen Woche nahe einer Jagdhütte gestellt und in einem Feuergefecht mit der Polizei erschossen. Die Polizei des Staates New York kann es jetzt kaum erwarten, bis David Sweat in der Verfassung ist, verhört zu werden. „Wir haben noch sehr viele Fragen“, sagte der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo bei einer Pressekonferenz am Sonntag.

Jagdhütten dienten als Unterschlupf

Die Behörden wissen noch immer nicht genau, wie den beiden verurteilten Mördern der Ausbruch aus dem Gefängnis vor drei Wochen gelang. Und sie wissen noch immer nicht genau, wie es ihnen drei Wochen lang gelang, einer Treibjagd von Hunderten Polizisten durch die Wälder von Nord New York zu entgehen. Vieles deutet daraufhin, dass die beiden in Jagdhütten der Gegend, die zu dieser Jahreszeit oft leer stehen, Unterschlupf fanden. Laut einem Bericht der „New York Times“ bieten die Behausungen ein perfektes Versteck. Nicht selten sind sie gut mit Lebensmittelkonserven und anderen Vorräten ausgestattet.

Grund zu der Annahme gibt der Polizei die Tatsache, dass in einigen dieser Hütten Spuren der beiden Entflohenen gefunden wurden. So hatte Richard Matt seine DNA an einem Pfefferstreuer hinterlassen. Den Pfeffer hatte er offenbar benutzt, um die Spürhunde irrezuführen, die ihn jagten.

Trotz des Hüttennetzwerks und des unwegsamen Geländes, ist es schier unglaublich, dass die beiden Häftlinge so lange durch gehalten hatten. So wie es bislang scheint, waren sie völlig auf sich alleine gestellt, während die Truppen des Bundes und des Landes die Region abgeriegelt hatten. Die Anwohner mussten drei Wochen lang Straßensperren und Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen.

Eine Mitarbeiterin des Gefängnisses half bei der Flucht

Bei ihrem Ausbruch hatten den beiden Männern, die aufgrund ihrer grausamen Straftaten als extrem gefährlich galten, Mitarbeiter des Gefängnisses geholfen. So gestand in der Woche nach dem Ausbruch Joyce Mitchell, die als Schneiderin in dem Zuchthaus beschäftigt war, dass sie den beiden Männern Werkzeug beschafft hatte. Damit hatten die beiden sich über Monate hinweg durch Schächte und Belüftungsanlagen einen Fluchtweg gebaut.

Offenbar hatte Mitchell dann irgendwann doch kalte Füße bekommen. Die Schneiderin hätte die beiden in der Fluchtnacht an dem Gullideckel abholen sollen, aus dem sie gekrochen kamen. Doch als Sweat und Matt an der verabredeten Stelle auftauchten, war niemand da.

Ohne Kleidung und Geld waren die Flüchtlinge hilflos. Dass sie es überhaupt so weit geschafft haben, ist bemerkenswert. Der Ort, an dem sie aufgegriffen wurden, ist 70 Kilometer von dem Gefängnis entfernt.

Nachdem Sweat gestellt wurde, atmete New York kollektiv auf. „Ein Alptraum ist zu Ende“, sagte Gouverneur Cuomo. Drei Wochen Ausnahmezustand seien vorbei, die Menschen der Region könnten wieder unbesorgt ihren Alltag aufnehmen.