Der feuchte Sommer hat in den Wäldern eine wahre Pilzschwemme hervor gebracht. Damit nimmt das Risiko für die Pilzsammler offenbar zu, wie aktuelle Zahlen der Notrufzentralen zeigen.

Stuttgart - Der feuchte Sommer hat die Pilze früh und zahlreich sprießen lassen und offenbar mehr Pilzsammler als sonst in die Wälder gelockt: Bei den Giftinformationszentren schrillen jedenfalls die Telefone – besser gesagt, die Alarmglocken. Die für Rheinland-Pfalz und Hessen zuständige Giftnotrufzentrale in Mainz zählte 300 Anrufe wegen des Verdachts auf Pilzvergiftung in diesem Jahr, das sind doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Das für Baden-Württemberg zuständige Zentrum in Freiburg konstatierte im August rund 40 „Pilznotrufe“ – doppelt so viele wie im Vergleichsmonat 2013. Der Trend nach oben flaute bei den Badenern Anfang September allerdings wieder ab.

 

Professor Siegmar Berndt von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie befürchtet dennoch, dass dieses Jahr auch die Zahl der Vergiftungen deutlich ansteigen wird. Erste konkrete Zahlen aus der Schweiz – wo es auch eine Pilzschwemme gibt – legten das nahe. Das Toxikologische Informationszentrum der Eidgenossen meldete eine drastische Zunahme: Bis Anfang September gab es 271 Vergiftungsfälle – eine Steigerung um gut 42 Prozent. Dem Pilzexperten Berndt sind vor allem die neuen Pilzerkennungs-Apps auf Smartphones ein Dorn im Auge. Er warnt davor, sich auf diese zu verlassen: „Auch eine sehr gute App kann das Anfassen, Riechen und Schmecken des Pilzes nicht bieten.“ Und vor allem nicht die Erfahrung, die man sich in Pilzsammelkursen zulegen kann.

Laut Zahlen der AOK hat es in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr 33 Klinikeinweisungen mit Pilzvergiftung gegeben, drei mehr als 2013. „Pilze sammeln scheint modern zu sein“, sagt Tobias Schilling, der Chef der Notfallambulanz am Stuttgarter Katharinenhospital. Diese Woche hat er einen Patienten sofort auf die Intensivstation verlegt: Bei der Pilzsuche mit Bekannten probierte dieser offenbar einen rohen Grünen Knollenblätterpilz, der hochgiftig ist und oft für einen Champignon gehalten wird. Mit Brustschmerzen, Durchfall und Erbrechen kam der Mann in die Klinik. Der Knollenblätterpilz sei heimtückisch, sagt Schilling, je stärker das Gift, desto später die Beschwerden. 20 bis 40 Gramm könnten bei Erwachsenen zum Zelltod der Leber führen und zu akuter Lebensgefahr.