Täglich ärgern sich Stadt- und S-Bahn-Passagiere in Stuttgart über kaputte Rolltreppen und Aufzüge an den Haltestellen. Welche Konsequenzen diese Defekte haben können, zeigt jetzt der Fall einer Mutter, die zum Arzt wollte.

Stuttgart - Erst vor Kurzem berichtete unsere Zeitung über die seit Wochen defekte Rolltreppe an der Haltestelle Schwabstraße. Kaum funktionierte die Treppe wieder, war dort der Aufzug kaputt – und nicht nur dort, sondern auch an den Stationen Feuersee und Stadtmitte. Dass drei Aufzüge an ein und demselben Tag an drei aufeinander folgenden Haltestellen außer Betrieb waren, macht Irmtraud Austmann fassungslos. Die 70-jährige Stuttgarterin wollte ihre 34 Jahre alte Tochter, die vor acht Wochen Zwillinge entbunden hatte, zu ihrem Termin beim Frauenarzt begleiten. „Ich bin mit, um während der Sprechstunde auf die beiden Babys aufzupassen“, sagt Austmann. Beim Arzt angekommen sind sie an diesem Tag nicht.

 

An drei Stationen waren die Aufzüge außer Betrieb

„Wir sind in Rohr los und an der Haltestelle Feuersee ausgestiegen, wollten mit dem Aufzug von der Station nach oben fahren. Doch der Aufzug war defekt“, sagt Austmann. Da man mit dem Kinderwagen aus Sicherheitsgründen die Rolltreppe nicht benutzen darf und das mit dem Modell für Zwillinge außerdem unmöglich wäre, beschlossen die beiden Frauen, zur nächsten Station, zur Haltestelle Stadtmitte, zu fahren. Auch dort war der Aufzug außer Betrieb. Die Tochter rief per Handy ihren Arzt an, um ihm mitzuteilen, dass sie später komme.

Dann unternahmen die Frauen einen dritten Versuch – und fuhren zur Station Schwabstraße: „Diesmal klebte am Aufzug ein Zettel mit der Frage: ‚Wann wird dieser Aufzug endlich repariert?‘“, erzählt Austmann. Eine Chance, mit dem Kinderwagen rund 100 Stufen hochzukommen, hatten sie und ihre Tochter nicht. „Dazu hätten wir die Schalen mit den Zwillingen aus dem Kinderwagen nehmen, sie samt Zwillingen hochtragen und dann den 15 Kilo schweren Kinderwagen holen müssen“, sagt die 70-Jährige und stellt klar, dass sie die Kinder auf keinen Fall unbeaufsichtigt lassen wollten und ihre Tochter so kurz nach der Entbindung auch noch nicht schwer tragen darf. Passanten, die hätten mit anpacken und den Kinderwagen die Stufen hochtragen können, waren nicht mehr da. Als Mutter und Tochter dann an einem vermeintlichen Info-Schalter am Bahnsteig Hilfe holen wollten, war der nicht besetzt, und auf ihr Klingeln meldete sich niemand.

„Meine Tochter hat den Arzttermin abgesagt, und wir sind frustriert nach Hause gefahren“, bilanziert die Seniorin. Funktioniert eine Rolltreppe nicht, bleibt Gehbehinderten und Menschen mit schwerem Gepäck nur noch der Aufzug – sofern er denn funktioniert. Funktioniert aber der Aufzug nicht, stehen Eltern mit Kinderwagen und Rollstuhlfahrer vor immensen Problemen, denn mit der Rolltreppe kommen sie nicht aus dem Tiefbahnhof. Und irgendwo ist immer einer von rund 168 Aufzügen im Bereich des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS) kaputt. Bis zum Redaktionsschluss am Freitag außer Betrieb: die Aufzüge an den Haltestellen Esslingen, Flughafen/Messe, Leonberg, Neuwirtshaus, Österfeld und Plochingen – und erneut Feuersee. Laut eines Bahn-Sprechers in Stuttgart halten sich die Defekte mit sechs Störungen im Rahmen. Rolltreppen seien auch lediglich vier kaputt.

Die Aufzüge in den Haltestellen Schwabstraße und Stadtmitte funktionieren wieder. Der Aufzug Haltestelle Stadtmitte war acht Tage, der in der Schwabstraße knapp vier Wochen und der an der Station Feuersee am Tag des Arztbesuchs von Austmann und ihrer Tochter nur „kurzfristig“ außer Betrieb. „Die beiden hätten einfach zum Hauptbahnhof weiterfahren sollen“, meint der Bahn-Sprecher. Dazu hatten sie aber nicht mehr die Nerven. Der Infoschalter, an dem sie Hilfe holen wollten, ist laut VVS-Sprecherin Ulrike Weißinger übrigens gar kein Info-Schalter, sondern ein Technik-raum. Zum Trost für den verpatzten Arzttermin bekommen Irmtraud Austmann und ihre Tochter vom VVS ein Gruppenticket, das für den gesamten VVS-Bereich gültig ist.

Mit neuem System soll sich die Situation verbessern

Von der Bahn gibt es außer einem Entschuldigungsschreiben auch das Versprechen, dass bis zum Jahresende 97 Prozent der Rolltreppen und 95 Prozent der Aufzüge in allen Städten, auch in Stuttgart, fahrbereit sind. Möglich machen soll es das System Adam, die Automatisierung und Digitalisierung im Anlagenmanagement. Anfang Oktober erhalten Aufzüge und Rolltreppen Sensoren, die messen, ob eine Anlage fährt oder nicht. Die Daten laufen dann in das Online-System. Grün bedeutet, dass alles in Ordnung ist, Rot signalisiert eine Störung. Der Bahn-Sprecher: „Unsere Mitarbeiter wissen dann sehr viel schneller Bescheid und können sofort reagieren.“ Die Anlagen der SSB verfügen bereits über eine solche Signalanlage.