Ein zweistelliges Millionengehalt für einen Mittelklasse-Basketballer? In der US-Profiliga NBA ist das seit Kurzem gang und gäbe – weil das Fernsehen für die nächsten neun Jahre knapp 22 Milliarden Euro überweist.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Die Rivalität zwischen Wilton Norman Chamberlain und William Felton Russell ist die vielleicht größte, die es im Basketball je gegeben hat – auch abseits des Platzes. Als der eine 1965 als erster Spieler der US-Profiliga NBA ein Gehalt von 100 000 Dollar erhielt, forderte (und erhielt) der andere sogleich 101 000 Dollar. Damit waren die beiden mit meilenweitem Abstand die Spitzenverdiener.

 

Rechnet man die Inflation von etwa 750 Prozent in den vergangenen 51 Jahren ein, sind die 100 000 Dollar von damals 750 000 Dollar von heute. Das liegt über dem aktuellen Mindestgehalt für NBA-Liganeulinge (543 471 Dollar), aber unter dem für Akteure mit mindestens einem Jahr Erfahrung (874 636 Dollar).

Die NBA hat sich seit den Tagen von Wilt Chamberlain und Bill Russell zu einer Geldmaschinerie entwickelt, zu einem Milliardenunternehmen. Das ist nicht neu. Neu ist jedoch, dass jeder Durchschnittspieler künftig verdienen kann wie bisher nur die Superstars. Erst kürzlich haben Dirk Nowitzkis Dallas Mavericks mit dem 94-Millionen-Dollar-Vierjahresvertrag für den Mittelklassemann Harrison Barnes vom Vizemeister Golden State Warriors manches Kopfschütteln hervorgerufen. Das ist so, als wenn ein guter Nebendarsteller in Hollywood plötzlich so viel verdienen würde wie Brad Pitt oder Will Smith.

Die NBA-Gehaltsobergrenze steigt von 70 auf 94 Millionen Dollar

Das Volumen des Kontrakts entspricht dem Maximalsalär für besagten Harrison Barnes innerhalb der Bestimmungen der NBA, in der es eine Gehaltsobergrenze gibt. Dank eines monströsen neuen TV-Vertrages mit einem Umfang von 24 Milliarden Dollar für die nächsten neun Jahre klettert die sogenannte Salary Cap von 70 auf 94 Millionen Dollar – so einen gewaltigen Anstieg gab es noch nie. Bei ihrer Einführung in der Saison 1984/85 betrug sie 3,6 Millionen Dollar, in der Spielzeit 2013/14 stand sie noch bei 58 Millionen Dollar.

Auch die Superstars profitieren von der Gehaltsexplosion. LeBron James ist nur ein Jahr nach der Rückkehr zu den Cleveland Cavaliers und dem Titelgewinn fristgemäß Ende Juni aus seinem Vertrag ausgestiegen. Dahinter steckt keine erneute Abschiedsabsicht, sondern er handelt auf Basis der neuen Rahmenbedingungen zurzeit einen höher dotierten Kontrakt aus. Den Wechsel von Kevin Durant, der sich zurzeit mit dem US-Team auf Olympia vorbereitet, von Oklahoma Thunder zu den Golden State Warriors machte ebenfalls die gestiegene Gehaltsobergrenze möglich.

Die Mannschaft aus Oakland ließ Harrison Barnes ziehen und schickte überdies Andrew Bogut via Trade zu den Dallas Mavericks, womit genug Spielraum unterhalb der Gehaltsobergrenze für Kevin Durant da war. Der 27-Jährige unterschrieb einen 54-Millionen-Dollar-Zweijahresvertrag – wohl wissend, dass die Salary Cap weiter ansteigen und so schon bald noch mehr zu verdienen sein wird. Mit ihm ist der Vizemeister, der schon in der vergangenen Hauptrunde einen neuen NBA-Rekord von 73 Siegen in den 82 Spielen aufstellte, der Unschlagbarkeit noch näher gekommen.

64 Millionen Dollar für fünf Jahre – Timofei Mosgow ist einer der großen Profiteure

DeMar DeRozan (Toronto Raptors), Mike Conley (Memphis Grizzlies) und Al Horford (Boston Celtics) verfügen zwar nicht über die Extraklasse von Kevin Durant, sie haben in den vergangenen Wochen aber ebenfalls Verträge mit Maximalvolumen unterschrieben und werden somit nächste Saison genauso viel verdienen wie er und James Harden (Houston Rockets). Noch größere Gewinner sind aber Akteure wie Hassan Whiteside (Miami Heat) und der bereits erwähnte Harrison Barnes, die mit ihrem Verdienst von 22,12 Millionen Dollar in der nächsten Runde zu den Top 15 in dieser Kategorie gehören – aber auch nur in dieser Kategorie.

Nachdem er Mike Conley und auch Chandler Parsons (94 Millionen Dollar für vier Jahre) mit Maximalverträgen ausgestattet hatte, twitterte der Memphis-Grizzlies-Eigentümer Robert Pera eine Videoszene aus dem Film „Die kleinen Strolche“, in dem ein Kind Hände voller Geldscheine aus dem Fenster wirft. Ziemlich passend! Wobei die Clubs fast gezwungen sind, noch spendabler mit ihren dicken Schecks umzugehen als die Fußballvereine in der englischen Premiere League, weil sie verpflichtet sind, den NBA-Gehaltsrahmen mindestens zu 90 Prozent auszuschöpfen.

Und so überhäufen die Los Angeles Lakers den 30-jährigen Timofei Mosgow (Karriere-Punkteschnitt: 6,9), der zuletzt in Cleveland die Ersatzbank wärmte, in den nächsten fünf Jahren mit 64 Millionen Dollar – und er ist nicht der einzige Spieler dieser Kategorie, der so einen Vertrag bekommen hat. „Ich kann nicht lügen: Mir gefällt’s“, sagte der Russe. „So läuft das Business in der NBA. Wir Spieler sind natürlich glücklich, dass die Gehälter steigen.“