Bei Verhandlungen ums Gehalt sind Vorbereitung, Wetter und der Beruf extrem wichtig.

Stuttgart - Wer sich um eine Stelle bewirbt, braucht eine Antwort auf die Frage: „Was möchten Sie verdienen?” Das wollen Unternehmen wissen, um Geld zu sparen. Denn es gibt deutlich mehr Bewerber, die tief- als hochstapeln. Bei der Online-Bewerbung könnte man einfach nichts angeben. Das sollte man aber nicht tun. „Das allein halbiert schon die Chancen für die zweite Runde”, weiß Claudia Kimich aus München. Im Vorstellungsgespräch gibt es dann kein Ausweichen mehr, da muss man Farbe bekennen. „Ich rate nicht zu einer Spanne, weder bei der Bewerbung noch im Gespräch”, so die Verhandlungsexpertin Kimich. Wer 40 000 bis 45 000 Euro als Jahresgehalt nenne, lande mit großer Wahrscheinlichkeit am unteren Ende. Deshalb ihr Tipp: „Wer 45 000 Euro verdienen möchte, sollte gleich 50 000 Euro fordern.” Denn wie andere Verhandlungen auch enden Gehaltsverhandlungen häufig mit einem Kompromiss.

 

Über das Gehalt zu verhandeln ist Teil des Vorstellungsgesprächs. Das erwarten Personaler, um das Verhandlungsgeschick des Kandidaten zu testen und um herauszufinden, wie er sich selbst einschätzt. Kompetenzen und Können spiegeln sich in der finanziellen Forderung. Aber Vorsicht: dampfplaudern bringe nach Meinung von Kimich nichts. „Personaler sind geübt in der Gesprächsführung und entlarven Schaumschläger rasch.” Ihr Rat lautet: „Deshalb besser bei den Tatsachen bleiben.”

Vor allem große Unternehmen, die regelmäßig neue Mitarbeiter einstellen, haben eine Gehalts-Range, eine Spanne, für jede Stelle. „In diesen Fällen ist der Verhandlungsspielraum grundsätzlich klein und liegt maximal fünf Prozent über dem Gehalt, das die Firma höchstens zahlen wolle”, sagt Christian Näser, Vergütungsfachmann in der Managementberatung Kienbaum in Gummersbach. In mittelständischen und kleinen Betrieben ohne Stellenbewertungen könne ein Bewerber bis zu 20 Prozent herausholen.

Gehaltsgefüge und Erfahrungswerte

Bleibt die Frage: wie bilden die Unternehmen diese Range, und woher weiß ein Bewerber, was er verlangen kann? „Das können beide im Netz nachlesen”, so Näser. Beispielsweise in Gehaltsstudien von Kienbaum, der IG Metall oder im digitalen Gehaltsportal www.lohnspiegel.de der Hans-Böckler-Stiftung. Der Gehalts-Check ist kostenlos, ihm liegen 19 000 Einkommensdaten zugrunde. Die Seite wird täglich rund 3500-mal aufgerufen. Ein weiterer Faktor, der die Range bestimmt, sind Erfahrungswerte. Bekommen Unternehmen für eine gebotene Summe keinen neuen Mitarbeiter für eine bestimmte Stelle, dann erhöhen sie das Angebot.

Bei gefragten Berufen wie Ingenieuren ist das häufig anzutreffen. „Dann sind 25 Prozent Aufschlag durchaus drin”, weiß Thomas Rübel, Berater im Büro für Berufsstrategie in Berlin. Das Argument von Personalern, „Das passt nicht in unser Gehaltsgefüge”, mit dem die Forderungen von Bewerbern gedrückt werden sollen, entschärft er so: „In vielen Unternehmen gibt es schon unterschiedliche Gehaltsgefüge, etwa für den Vertrieb.” Dort liege das Gehalt weit über dem anderer Bereiche. „Ähnliches kann es durchaus für gesuchte Fachrichtungen geben, die anders kaum zu bekommen sind.” Je spezialisierter oder gefragter jemand sei, desto teurer darf er sein, ist Rübels Erfahrung.

Wenn's nicht klappt: Bleiben oder kündigen?

Hat es dann mit der Einstellung geklappt, wird der Mitarbeiter nicht bis zur Rente für sein Anfangsgehalt arbeiten wollen. Das heißt, der ersten Gehaltsverhandlung werden weitere Gespräche übers Geld folgen. Über Tarifverträge wird regelmäßig verhandelt, dadurch steigen die Gehälter schon automatisch. „Ähnlich ist das bei außertariflich entlohnten Mitarbeitern in großen Unternehmen”, weiß Näser. Wer mehr als die in beiden Fällen üblichen zwei bis fünf Prozent wolle, für den biete sich das Mitarbeitergespräch an, „um grundsätzlich über das Gehalt zu sprechen”.

Nur wann ist dafür der erfolgversprechendste Zeitpunkt? „Der ist gekommen, wenn ein Projekt gut gelaufen ist, es einen hohen Nutzen für das Unternehmen bringt und Umsätze damit generiert wurden”, sagt Kimich. Mittags sei ein günstiger Zeitpunkt und Sonnenschein einem trüben Novembertag vorzuziehen. „Menschen sind einfach besser gelaunt, wenn die Sonne scheint.” Der Sache nicht dienlich ist es, einen Chef gleich frühmorgens wegen einer Gehaltserhöhung anzusprechen, wenn dieser ein Morgenmuffel ist. Dasselbe gilt für den Freitagnachmittag, 14.30 Uhr, falls der Vorgesetzte üblicherweise um 15 Uhr ins Wochenende geht.

Bleibt die Frage: Was tun, wenn ein Unternehmen nicht auf die Forderungen eines Bewerbers oder Mitarbeiters eingeht? „Jeder sollte sich im Vorfeld Gedanken darüber machen, welche Konsequenzen man daraus zieht: bleiben oder kündigen?” Nach den Erfahrungen von Kimich gehen viele Firmen auf die Forderungen von Männern eher ein, weil von ihnen fälschlicherweise erwartet wird, dass sie gehen, wenn es nicht klappt. „Frauen werden nicht ernstgenommen, wenn sie sagen, dass sie bei Nichterhöhung kündigen, und ziehen deshalb oft den Kürzeren.” Bei Gehaltsforderungen seien Frauen und Männer mit technischen Berufen eher zurückhaltend und würden zum Tiefstapeln neigen, schreibt Kimich in ihrem Buch „Um Geld verhandeln” und rät diesen beiden Personengruppen, ein höheres Gehalt zu fordern, als sie eigentlich vorhatten.