Die Geschichte der doppelten Hausnummer ist der zweite Teil unserer Serie, in der einige der Geheimnisse aus dem Buch „Cannstatter Geheimnisse – 50 spannende Geschichten aus der Sauerwasserstadt“ hier in Kurzform verraten werden.

Bad Cannstatt - Es ist schon klar, welche Hausnummer die richtige ist. Oder vielleicht besser: die gültige. Die offensichtlich neuere 15 aus emailliertem Metall sitzt schließlich über der Hausnummer aus drei Ziffern, die mit schwarzer Farbe auf die Mauer gemalt sind. Die letzte Ziffer dieser Nummer ist zwar nicht komplett zu erkennen, weil das neue Schild sie weitgehend verdeckt, 334 kann man mit einiger Mühe aber ausmachen. „Das ist nummerntechnisch ziemlich weit von der 15 entfernt“, kommentiert der Stadtführer Olaf Schulze. Und hat gleich eine Erklärung parat: „Das ist das letzte mir bekannte Beispiel einer alten Hausnummer in Cannstatt, die aus einer Zeit stammt, als es noch keine nach Straßen, sondern nach Quartieren durchgeführten Zählungen gab.“

 

Die Eigentümer entfernten die alten Hausnummern

Schulze ist die Adressbücher im Stadtarchiv akribisch durchgegangen und hat herausgefunden, dass es im ältesten Adressbuch von 1855 nur die Quartiere A, B und C gab. Im Adressbuch von 1866 waren es dann aber schon vier Distrikte, was das Wachstum der Stadt anzeigt. Das Haus mit der Nummer 334 gehörte zum Distrikt A.

„In den 1880er-Jahren wurde das alte System, weil es sich als immer weniger praktikabel erwies, durch das heutige ersetzt“, erzählt der Historiker. Das Cannstatter Adressbuch, das 1885 nach neun Jahren Pause erschien, sei das erste mit der neuen Nummerierung. Daraufhin entfernten die Eigentümer die alten Hausnummern und brachten die neuen an. Bis auf die Besitzer des Hauses Nr. 334. Die ließen die alte so, wie sie war, und montierten die neue einfach drüber.

Und so waren die Distrikte aufgegliedert: Die „Oberstadt“, die Altstadt im Mauerring von der Wilhelmsbrücke aus gesehen links der Marktstraße mit Stadtkirche und Rathaus, gehörten zum Distrikt A. Ebenso die „Schmidener Vorstadt“, die sich seit 1800 entwickelte – mitsamt der Wilhelmstraße. Und eben auch die Königstraße, die heute König-Karl-Straße heißt. Der Distrikt B bestand aus der „Unterstadt“, der anderen von der Marktstraße aus gesehenen westlichen Hälfte der Altstadt nebst Badstraße vor den Stadtmauern und der vorgelagerten Berger Insel. Die Neckarvorstadt bis hinauf zum Burgholzhof zählte zum Distrikt C. Und den neuen District D bildeten das Bahnhofsgebiet, die Waiblinger Straße, der Seelberg und die Fabrikvorstadt hinter der Eisenbahnlinie.

„Die 334 war also das 334. Gebäude im ganzen Distrikt A“, erklärt Schulze. Viele Häuser der König-Karl-Straße haben eine wechselvolle Geschichte, die auch von den gesellschaftlichen Veränderungen der jüngeren Vergangenheit zeugen. „Doch an keinem anderen hat sich die alte Distriktnummer erhalten“, sagt Schulze. Nur das Gebäude mit der alten Nummer 334 hat zwei Hausnummern. Und welches Haus kann das schon von sich behaupten?

Buch-Informationen

Bei dem hier veröffentlichten Text handelt es sich um eine gekürzte Fassung. Die ausführliche Version gibt es in dem Buch „Cannstatter Geheimnisse“ zu lesen. Es hat knapp 200 Seiten, ist durchgehend bebildert und kostet 14,90 Euro. Erhältlich ist das Buch im Buchhandel, telefonisch unter 0 75 51 / 6 33 20 oder über die Homepage der Autorinnen http://www.buero-bast.de/shop (portofreier Versand). ISBN: 978-3-9816796-2-5