Wer nach einer Operation auf Krücken angewiesen ist, muss sich normalerweise auf Ärger einstellen. Ständig fallen die Stöcke um. Mühsam balancierend versucht der Betroffene diese wieder zum Stehen zu bringen. Das Dreibein jedoch bleibt stehen – ein pfiffiges Konstrukt, das sich aber auf dem Markt nicht durchsetzt.

Stuttgart - Angela Merkel hatte sie, Johannes Kerner brauchte sie - die Unterarmgehstützen, die vorübergehend Fußkranken über die Runden helfen. Was sie nicht hatten, waren Dreibeine, die man einfach zusammenstecken und auch freihändig aufstellen kann. Etwa 200 Patienten sind bisher in Deutschland in den Genuss dieser Wunderstöcke gekommen und wollen sie nicht mehr missen. Deren Geschichte ist ein Lehrbeispiel dafür, wie in einer auf Massenware eingestellten Wegwerfgesellschaft nützliche Erfindungen offenbar keine Chance haben.

 

„Rumsdibumms“, schon sind sie wieder abgerutscht und liegen quer im Weg. Und während der Besitzer der Krücken versucht, mühsam sein Gleichgewicht zu halten, hat der Nächste alle Mühe, den fallenden Stöcken auszuweichen. Jeder, der nach einem Unfall oder einem Eingriff mit anschließender Operation sich mühsam mit seinen Unterarmgehstützen durch den Alltag bewegen muss, kennt dieses nervtötende Geräusch fallender Krücken. Dabei gibt es seit einem Jahrzehnt zusammensteckbare Stöcke – die sich auf dem Markt bisher nicht durchgesetzt haben. Und obwohl sie patent aussehen und patentiert worden sind, sind sie nicht angenommen worden.

Patienten im deutschen medizinischen Versorgungssystem, die nach einer Operation am Stock gehen müssen, riskieren lieber die nächste OP als dass sie 20 Euro mehr zahlen würden. Das ist wenigstens die Erfahrung eines Waldbronner Ingenieurs, der die Dreibein-Gehhilfen konstruiert und patentiert, aber nicht erfolgreich verkauft hat. Nach zehn erfolglosen Jahren bewahrt er für den Notfall noch Ersatzteile auf. Glücklich ist, wer auf seine Spuren kommt.

Hüpfen wie ein Känguru

Der Maschinenbautechniker Siegbert Singer aus besagtem Waldbronn bei Karlsruhe durfte nach einem Sportunfall drei Monate das verletzte Bein nicht belasten und hüpfte, so erzählt, wie ein Känguru auf einem Bein, wenn ihm eine der beiden Gehhilfen entglitten war und er sie aufklauben wollte. Also konstruierte er in langen, geduldigen Versuchen eine Verbindung zwischen den Griffteilen und dazu eine ausstellbare Stütze, die an eine der beiden Gehhilfen montiert ist. Die Klammer stellte der Freizeiterfinder durch eine flexible Sechskantverbindung her, wobei eine kleine Kugel das Rausrutschen verhindert. Die beiden Griffe lassen sich leicht voneinander lösen, die kleine Stütze auch. Inzwischen hat Singer noch kleine Verbesserungen eingebaut, aber keinen dauerhaften Erfolg erzielt.

Singer machte die Erfahrung, dass zwar Ärzte und Pflegekräfte, auch Fachverkäufer seine Erfindung vorbehaltlos lobten und einige wenige Reha-Häuser sie auch versuchsweise anboten, aber auf Dauer waren die potenzieller Abnehmer, so berichtet er, nicht interessiert: zu viel Aufwand, zu wenig Gewinn. Denn Krücken sind industriell gefertigte Massenartikel, fliegen, eine Zeit getragen, in die nächste Ecke. Die Kasse zahlt bei fünf Euro Eigenanteil bis zu 20 Euro. Für die scheinbare Luxusausführung mit mehr Sicherheit waren Industrie, Handel und die meisten Kassenkunden nicht zu haben. Aber wer das Glück hatte, diese veredelten Krücken irgendwo in Deutschland zufällig zu erstehen, der konnte sicher sein, damit Aufsehen zu erregen.

Siegbert Singer aber hat offenbar noch nicht ganz aufgegeben. Wenn er im kommenden Jahr in den so genannten Ruhestand tritt, könnte es sein, dass er vielleicht einen neuen Anlauf macht.