Institutionelle Anleger setzen auf das Ökorating. Privatkunden halten sich zurück. Nur ein bis zwei Prozent haben nachhaltig investiert.

München - Ratingagenturen stehen wegen ihres Verhaltens in der Eurokrise im Kreuzfeuer der Kritik. Der Münchner Branchenvertreter Oekom Research dagegen sieht sich wirtschaftlich wie ethisch im Aufwind. "Unser Urteil ist zunehmend gefragt", sagt Oekom-Direktor Rolf Häßler. Die Münchner bewerten nicht wie Moody's & Co. die finanzielle Bonität von Konzernen und Staaten, sondern deren ökologischen Fußabdruck. Großen institutionellen Anlegern ist der immer wichtiger. Fünf Billionen Euro und damit fast die Hälfte ihrer Investments haben sie derzeit europaweit nach nachhaltigen Kriterien vergeben, bilanziert der Eurosif als europäischer Dachverband des Anlagesegments. Das ist eine Verfünffachung innerhalb von vier Jahren.

 

Schlechtes Oekom-Rating kann den Aktienkurs eines Unternehmens bröckeln lassen, weil ökologisch orientierte Großanleger die betroffene Aktie dann in ihren Fonds ausmustern. "Der Druck der Investoren nimmt zu", sagt Häßler. 90 Milliarden Euro seien auf Basis der eigenen Ökoexpertise aktuell in nachhaltige Anlagen investiert. Schneidet ein Konzern wie die Schweizer Einzelhandelskette Coop bei Oekom Research gut ab, wirbt sie in ihrem Kundenmagazin damit, weil das Etikett Grün auch beim Verbraucher gut ankommt.

Zur Beurteilung von Unternehmen definiert Oekom für die Bereiche Umwelt und Sozialleistungen Mindeststandards. Allgemeingültige Kriterien für ein Umweltrating gibt es nicht. Den eigenen Maßstab halten die Münchner für strenger als den vom Dow Jones Sustainability Index verwendeten. Dieser internationale Nachhaltigkeitsindex hat mit seiner Einführung 1999 das Eis für Ökoratings gebrochen und ist bis heute ein Leuchtturm dieses Ratingsegments.

Deutsche Privatanleger stecken kaum Geld in Ökoanlagen

Die Renditechancen sind bei Ökoanlagen mindestens so groß wie bei traditionellen, betont Häßler und tritt damit einem sich hartnäckig haltenden Vorurteil entgegen. Fakt ist, das deutsche Privatanleger kaum Geld in grüne Engagements stecken. Während Deutschland sonst in vielen Ökodisziplinen Spitze ist, haben Bundesbürger nur ein bis zwei Prozent ihrer Geldanlagen nachhaltig investiert. In Ländern wie Frankreich und den Niederlanden oder in Skandinavien sei die Quote um ein Vielfaches höher, sagt Häßler. Ein anderer Grund könne sein, dass Ökoinvestments beratungsintensiver sind und Bankberater dafür oft nicht das nötige Knowhow oder die Muße haben.

Oekom Research besorgt sich eigenes Ökowissen über Unternehmen von denen selbst, aber auch über Behörden, Umweltverbände, Gewerkschaften oder Menschenrechtsorganisationen. Auf globaler Basis sind 56 Prozent von 3100 durch Oekom gerateten Firmen in deren Urteil von einer nachhaltigen Wirtschaftsweise aber weit entfernt. Die meisten Firmen liefern zumindest bereitwillig Ökodaten, sagt Häßler. Etwa ein Fünftel mauere. "Es kann uns aber kein Unternehmen daran hindern, es zu bewerten", warnt er. Greenwashing, also das bloße Umhängen eines grünen Mäntelchens sei dagegen ein überschätztes Phänomen. An einen krassen Fall können sich weder er noch Oekom-Analysten erinnern. Wie die normalen Ratingagenturen vergeben sie Buchstaben von A bis D als Noten. Der Spitzenwert A ist noch keinem Großkonzern verliehen worden. Aktueller Spitzenreiter im Dax ist SAP mit einer B-Note. Dahinter rangieren Henkel, BMW, Deutsche Telekom und Siemens.

Auf Branchenbasis sieht Oekom Research die Informationstechnologie, Hersteller von Haushaltsprodukten und die vielfach geschmähte Kfz-Industrie ganz vorn. Schlusslichter sind Geschäftsbanken, die Öl- und Gasbranche sowie Immobilienfirmen. Auch Länder werden geratet. Hier haben Norwegen und Schweden einen A-Status erreicht. Deutschland rangiert mit B+ auf Platz 6 von 51 Nationen. Auf hinteren Rängen finden sich unter anderem Italien, die USA, China und - auch in puncto Nachhaltigkeit - Griechenland.