Der Landkreis Lörrach zahlt Asylbewerbern Geld, wenn sie freiwillig ausreisen – und macht damit gute Erfahrungen.

Lörrach - Die schnell wachsende Zahl von Flüchtlingen bringt für die 35 Land- und neun Stadtkreise in Baden-Württemberg immer größere Probleme mit sich. Die Kreise Lörrach und Emmendingen versuchen, Engpässen bei der Unterbringung mit finanziellen Anreizen für die Asylbewerber zu begegnen: Die Antragssteller erhalten Bargeld, wenn sie ihren Asylantrag zurückziehen und freiwillig in ihre Heimat zurückkehren. Die Landesregierung unterstützt dieses Vorgehen.

 

Das Angebot richtet sich an Ausländer, deren Asylverfahren keine oder nur wenig Aussicht auf Erfolg haben, hieß es aus dem Landratsamt Lörrach. 250 Menschen haben es bisher angenommen, in der Hauptsache Einreisende aus den Balkanstaaten Serbien, Mazedonien, dem Kosovo und Albanien. Eine dreiköpfige Familie könne mit bis zu 1858 Euro rechnen, so die Behörde. Das Geld müsse zurückerstattet werden, sollte die Familie erneut in Deutschland einreisen und Asyl beantragen.

Der Kreis Lörrach kürzt auf diese Weise den mehrere Monate oder auch Jahre dauernden Verfahrens- und Klageweg ab und spart sich teure Unterbringungskosten. Der Landkreis Emmendingen möchte diesem Beispiel folgen und sich „an das Lörracher Modell anlehnen“, wie ein Sprecher mitteilte. Im Kreis Biberach gibt es solche Hilfen schon seit längerem. Erwachsene erhalten 2000, Kinder 1000 Euro, wenn sie von selber gehen.

Im Landkreis Lörrach sind die Sammelunterkünfte voll

Wie andere Landkreise auch muss Lörrach von September an auf kreiseigene Sport- und Mehrzweckhallen zugreifen oder Zeltlager aufbauen, um dem Ansturm an Flüchtlingen gerecht zu werden. Statt 160 kommen jeden Monat 470 Flüchtlinge am Hochrhein an. Die Sammelunterkünfte seien schon jetzt voll. Die Verwaltung suche Grundstücke, auf denen Lager errichtet werden könnten, hieß es weiter. Die grün-rot Landesregierung will der freiwilligen Rückkehr Vorrang vor der Abschiebung einräumen. „Unser Ziel ist es, Personen ohne Bleibeperspektive möglichst frühzeitig, individuell und neutral zu beraten“, hatte Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) beim Flüchtlingsgipfel am Montag in Stuttgart bekräftigt.

Tatsächlich gibt es seit Jahren ein Rückkehrprogramm des Landes. Allerdings wurde es bisher kaum genutzt. Nach Angaben des Innenministeriums sind 2014 im Südwesten 2500 geförderte freiwillige Ausreisen gezählt worden, vor allem auf den Balkan. Im gleichen Zeitraum wurden 1211 Asylbewerber abgeschoben. Allein über das Landesprogramm freiwillige Rückkehr hatte es in 1452 Fällen eine Förderung gegeben, die sich die Regierung gut 500 000 Euro kosten ließ. 526 Menschen kehrten nach Serbien, 383 nach Mazedonien, 383 nach Bosnien-Herzegowina, 68 nach Russland und 41 in den Kosovo zurück.

Grün-Rot gibt 460 000 Euro für die Beratung der Rückkehrer

Um Rückkehrer zu beraten, stellt die Landesregierung für dieses und das nächste Jahr weitere 460 000 Euro zur Verfügung. Daneben gibt es für 2015 und 2016 noch einmal 415 000 Euro aus den beiden bundesweiten Programmen REAG und GARP, mit denen ebenfalls die freiwillige Rückkehr von Asylbewerbern unterstützt wird. Mit dem REAG-Programm werden die Reisekosten bezahlt. Für den Start in den Heimatländern werden aus GARP-Mitteln Hilfen von 1500 Euro für einen Erwachsenen und 1000 Euro für ein Kind geleistet. Familien sollen höchstenfalls 6000 Euro bekommen.

2014 haben 1804 Flüchtlinge diese Programme genutzt, wiederum vor allem Serben (635), Mazedonier (451) und Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina (383). Für ein weiteres Programm, das die Rückführung von Kosovaren unterstützt, standen 2014 45 000 Euro bereit, für das laufende Jahr sind es 59 000 Euro. Andreas Linder, Leiter der Geschäftsstelle beim Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, nannte die Prämienlösung „unwürdig“: „Damit kann ein Landkreis im Zweifel sogar Geld machen, da er pro Flüchtling vom Bund rund 13 000 Euro bekommt, aber letzten Endes viel weniger für seine Unterbringung aufwenden muss.“

Auch der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke, übte Kritik am Lörracher System: Die Praxis stellt seiner Ansicht nach „nur einen weiteren Anreizfaktor“ dar. „Gerade bei den aussichtslosen Asylanträgen von Bewerbern aus dem Westbalkan diskutieren wir bereits, ob das bar ausbezahlte Taschengeld nicht auf Sachleistungen umgestellt werden müsste“, sagte er. Er schlägt vor, die Anreizfaktoren für diejenigen ohne Aussicht auf Asyl nicht noch auszubauen. „Ich bezweifle im Übrigen, dass die Vereinbarungslösung klappt und der Kreis sein Geld zurückbekäme, wenn der Bewerber vertragsbrüchig doch erneut einreist – denn dieser wird wohl mit leeren Taschen wiederkommen“, sagte er.