Einstimmig hat der Gemeinderat von Erbach bei Ulm die Erweiterung einer Radartestanlage der Airbus Defence and Space abgelehnt. In der Stadt blickt man mit Misstrauen auf den verschwiegenen Rüstungskonzern. Er zahlt in Erbach auch keine Gewerbesteuer.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Erbach - Hinter hohen Metallzäunen, auf einem einsam gelegenen Wiesenhügel nordöstlich der Stadt Erbach, betreibt das Unternehmen Airbus Defence and Space ein Testgelände für Flugradaranlagen. Im vergangenen Jahr hieß die zum Luft- und Raumfahrtkonzern EADS gehörende Gesellschaft noch Cassidian, im zehn Kilometer entfernten Ulm beschäftigte sie zuletzt rund 2500 Mitarbeiter. Dort, wie auch an anderen Rüstungsstandorten, wird gezittert, seit die EADS-Spitze den Abbau von 5800 Stellen ankündigte. Gut 300 Stellen gingen in Ulm bereits verloren, doch ob es damit getan ist, weiß niemand genau.

 

Aus 2012, also besseren Zeiten, stammt ein Bauantrag auf Erweiterung der Erbacher Betriebsfläche von 5900 auf 9800 Quadratmeter. Das Geschäft mit Flugradartechnik wachse, sagt aktuell ein Unternehmenssprecher. Vor Auslieferung jedes Radargeräts, ob mobil oder stationär, muss dessen Funktionalität im Echtversuch nachgewiesen werden. Vom Erbacher Wiesenhügel aus geschieht das, indem überfliegende Maschinen testweise erfasst werden. Airbus Defence liefert an militärische und zivile Kunden. „Die Erweiterung wäre für einige Projekte notwendig gewesen, die gerade hochlaufen“, so der Sprecher.

Erweiterung untersagt

In einer Sitzung Ende März hat der Gemeinderat Erbach die Betriebserweiterung einstimmig und damit überraschend deutlich untersagt. Vereinzelte Warnungen aus dem Unternehmen, ein Nein der Gemeinderäte könne mittelfristig die gesamte Radarsparte bei der Ulmer Konzerntochter gefährden, zeigten keine Wirkung. Der Erbacher Bürgermeister Achim Gaus verweist darauf, dass die Stadt kaum noch Möglichkeiten habe, zentrumsnah Wohnungen zu bauen, wenn Airbus Defence im Nordosten so stark expandiere. Erbach sei in alle anderen Himmelsrichtungen begrenzt durch die Donau, Gewerbegebiete, den örtlichen Schlossberg und die Bundesstraße 311.

Daneben herrscht, wie sich jetzt zeigt, in der Stadt ein über die vergangenen Jahre gewachsenes Misstrauen gegen den verschwiegenen Rüstungskonzern. Ursprünglich habe der Gemeinderat zur Jahrtausendwende lediglich eine einzige drehbare Antenne auf dem Testgelände genehmigt, sagt Bürgermeister Gaus – aber „vor fünf, sechs Jahren“ sei vom Unternehmen ein Zusatzantrag nach dem anderen gestellt worden. Die Genehmigungen wurden, jeweils unter Vorbehalt, erteilt, obwohl im Rathaus eine Unterschriftenliste besorgter Bürger einging, die Angst vor einer Strahlenbelastung haben. Mit dem Erweiterungsantrag um fast vier Hektar Testfläche sei jetzt „eine Grenze erreicht“, so Gaus. Einzelne Gemeinderäte sprachen in den vergangenen Wochen von einer „Salamitaktik“ des Rüstungskonzerns.

Monetäre Gründe

Dessen geringe Beliebtheit in Erbach hat noch einen handfesten monetären Grund. Die Testanlage bringt der Stadt keine Gewerbesteuer. „Airbus beschäftigt an diesem Standort bisher erst einen Mitarbeiter – und das ist der Hausmeister“, sagt Gaus. Alle anderen Beschäftigten führen täglich von auswärts an. Der Unternehmenssprecher bestätigt das. Es werde jetzt zusammen mit der Stadt Ulm überlegt, „dass wir feste Arbeitsplätze an unserem Standort in Erbach schaffen“. Weil die Stellenampeln im Konzern weiter auf Rot stehen, müsste das wohl über Verlagerungen geschehen.

So ganz will auch der Erbacher Gemeinderat den Frieden nicht aufkündigen. Das Rathaus ist beauftragt, einen Bebauungsplan zu entwerfen, der den Betrieb der heutigen Testanlage auf Dauer sichert.