Robert Kauderer von den Freien Wählern hat dem Stuttgarter Gemeinderat 30 Jahre lang angehört. Der Malermeister ist sozusagen der Ironman unter den Stadträten. Er und vier weitere Aussteiger haben zusammen 122 Jahre Kommunalpolitik hinter sich gebracht.

Stuttgart - Am Donnerstag schlägt im Gemeinderat die Stunde des Abschieds. Insgesamt 23 Stadträtinnen und Stadträte verlassen das höchste politische Gremium der Landeshauptstadt. Darunter sind mit Helga Vetter (CDU), Robert Kauderer und Joachim Fahrion (Freie Wähler) sowie Manfred Kanzleiter (SPD) und Michael Kienzle (Grüne) fünf kommunalpolitische Dauerläufer, die es zusammen auf 122 Jahre Kommunalpolitik bringen.

 

Robert Kauderer Foto: Privat
Der Ironman des Quintetts ist Robert Kauderer, der dem Gemeinderat 30 Jahre lang angehörte (1984 bis 2014). „Ich habe mit Manfred Rommel, Wolfgang Schuster und Fritz Kuhn drei Oberbürgermeister und drei große Persönlichkeiten erlebt“, so Kauderer. Auch im Gemeinderat habe es immer wieder neue Gesichter und damit verbundene Ansichten und Visionen gegeben. „Mir hat es Freude bereitet, am Ausbau des Bildungssystem, des Nahverkehrs und an der Realisierung des Zukunftsprojekts Stuttgart 21 mitzuarbeiten.“ Leider sei nicht alles, was wünschenswert sei, auch finanzierbar. „Schulden müssen nicht nur verzinst, sondern auch zurückgezahlt werden“, sagt Kauderer, der sich freut, in Zukunft mehr Zeit für seine Familie, Hobbies und die Kultur zu haben.

Helga Vetter Foto: Privat
„Mir bleiben noch Aufgaben genug“, meint die Stadträtin Helga Vetter, die dem Rat 20 Jahre lang angehörte (1994 bis 2014). Schließlich engagiere sie sich auch im Schwäbischen Frauenverein. Und zu Hause warteten zahlreiche Kartons prallvoll mit Familienfotos darauf, geordnet und in Alben eingeklebt zu werden. „Sonst schaut die sich doch niemand mehr an.“

Beim Rückblick auf zwei Jahrzehnte Kommunalpolitik nennt Vetter den „Erhalt des städtischen Klinikums gegen alle Privatisierungspläne“ als Erfolg. Das Ergebnis habe nach hartem Ringen gezeigt, „dass man in der Kommunalpolitik auch bei komplexen Themen etwas bewegen kann“. Von den Oberbürgermeistern war ihr Manfred Rommel am liebsten. „Das war ein Mensch, der mit Bürgern und Präsidenten reden konnte. Ich bin froh, dass der Flughafen nach ihm benannt wird“, so Vetter.

Fahrrad und Lötkolben statt Ratsvorlagen

Manfred Kanzleiter Foto: Privat

„Mir waren die Personalpolitik und die kommunale Daseinsvorsorge stets sehr wichtig“, sagt Manfred Kanzleiter. In beiden Bereichen ist der SPD-Mann nach 27 Jahren im Rathaus (1984 bis 1991 und 1994 bis 2014) mit dem Erreichten zufrieden. Für drei Jahre hat der Gewerkschafter Anfang der neunziger Jahre sein Mandat ruhen lassen, um in Sachsen die Gewerkschaft ÖTV (jetzt Verdi) aufzubauen. Heute sieht er die Stadt personell gut aufgestellt, obwohl es immer noch Engpässe gebe. Auch die Rekommunalisierung der Energieversorgung sei mit der Konzessionsvergabe „nach zehn Jahren Kampf“ abgeschlossen worden. „Ich scheide entspannt aus dem Rat“, sagt Kanzleiter. Er freue sich schon auf mehr Reisen und auf viele noch ungelesene Bücher. „Aber ich werde ein politischer Mensch bleiben.“

Michael Kienzle Foto: die arge lola, Kai Loges + Andreas Langen

Der passionierte Radfahrer Michael Kienzle vergleicht seine 25 Jahre im Rat mit einem schweren Rennen. „Die Bergetappe Stuttgart 21 haben wir leider nicht gut bewältigt“, meint er. Da komme noch einiges auf den neuen Gemeinderat zu. Ansonsten aber hätten sich die Radler ein Stück der Autostadt erobert. Auf der politischen Habenseite verbucht Kienzle auch die mit dem Theaterhaus, der Rampe, dem Merlin und den Wagenhallen gewachsene kulturelle Vielfalt. Als „Auslaufmodell“ will er noch öfter die Joggingschuhe schnüren und sich aufs Fahrrad schwingen. Außerdem plant Kienzle mit der Stiftung Geißstraße neue Projekte zum Thema Stadt und Flüchtlinge. „Ich eigne mich eben nicht zum Privatier“, sagt Kienzle.

Joachim Fahrion Foto: Privat

„Mit der Stadtverwaltung konnte man gut zusammenarbeiten“, sagt Joachim Fahrion nach zwei Jahrzehnten im Rat. „Aber manchmal waren die Vorlagen arg kompliziert“, findet er. Als politische Erfolge sieht er den Ausbau der Stadtbahn und die Mehrheit für Stuttgart 21. In der neu gewonnenen Freizeit will er mehr reisen und sich um seine jahrelang arg vernachlässigte Modelleisenbahn kümmern. „Statt nach Gemeinderatsvorlagen greife ich jetzt öfter zum Lötkolben“, kündigt er an.