Der Stuttgarter Gemeinderat hat den scheidenden Oberbürgermeister verabschiedet. Im Januar wird Wolfgang Schuster zum Ehrenbürger ernannt.

Stuttgart - Exakt 306 Sitzungen des Gemeinderats hat Wolfgang Schuster (63) in seiner Funktion als Oberbürgermeister geleitet und dafür rund 660 Stunden seiner Lebensarbeitszeit aufgewandt. Die letzte Vollversammlung des Jahres ist für Schuster die letzte in 16 Jahren an der Spitze der Stadt gewesen. Der Gemeinderat hat ihn mit lobenden Worten und einem Reisegutschein in den Unruhestand verabschiedet. Das scheidende Stadtoberhaupt bleibt aber Mitglied des Regionalparlaments und zahlreicher nationaler und internationaler Gremien. Am 5. Januar im Rahmen der offiziellen Verabschiedung in der Liederhalle wird dem OB dann die Ehrenbürgerwürde verliehen.

 

Der Erste Bürgermeiste Michael Föll (CDU), würdigte Schuster als „Glücksfall für Stuttgart“. Er sei „eine herausragende Persönlichkeit“ und habe sich um die Stadt nach der Wirtschaftskrise Anfang der 90er Jahre verdient gemacht. Die Stadt sei heute „faktisch schuldenfrei“. Die Integration und das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft seien ihm eine Herzensangelegenheit gewesen. Neben Stuttgart sei Europa Schusters Leidenschaft.

Kein bequemer Chef

Als Chef sei Schuster nicht bequem, mitunter gar anstrengend gewesen. Föll lobte den „respektvollen und menschlichen Umgang“, den der OB gepflegt habe. Mit Geduld und Toleranz habe er auch andere Meinungen zugelassen. Natürlich sei manches begonnen und nicht vollendet, so Föll, etwa der Ausbau der Kita-Betreuung. „Stuttgart 21 steht am Anfang“ – aber der Nachfolger Fritz Kuhn müsse auch etwas zu tun haben. Fölls Dank galt auch der „First Lady“. Stefanie Schuster habe die Stadt „in vorzüglicher Weise repräsentiert und mit ihrem Engagement als Präsidentin der Olgäle-Stiftung Maßstäbe gesetzt“.

Silvia Fischer (Grüne) nahm für ihre Fraktion in Anspruch, den OB in vielen Bereichen erfolgreich auf den grünen Pfad gebracht zu haben. Für Schuster sei anfangs in erster Linie relevant gewesen, die Belastung für die Wirtschaft so gering wie möglich zu halten, die sich aus dem Umweltschutz ergeben. Die Fraktionschefin dosierte in ihrer Rede Lob und Tadel. Der OB habe sich für die kinderfreundliche Stadt eingesetzt, aber die nötige Unterstützung für bezahlbaren Wohnraum im Neckarpark versagt. Fischer ließ nicht unerwähnt, dass sie Schuster bei Stuttgart 21 auf dem Holzwege wähnt. Dass diese Ansicht auch die Fraktionsgemeinschaft von SÖS/Linke teilt, machte ihr Sprecher Hannes Rockenbauch deutlich. Sein persönlicher Dank an Schuster umfasste nur wenige Worte.

Dem CDU-Chef Alexander Kotz bleiben vor allem die Baggerbisse des OB als Zeichen der Investitionskraft der Stadt in Erinnerung. Zudem haben dessen Bereitschaft, sich öffentlich impfen zu lassen, ihm größten Respekt abgenötigt. Kotz lobte Schuster als „besten Außenminister der Stadt“. Mit seinem Einsatz für Völkerverständigung sei er „ein Garant für Frieden und Freiheit in Europa“. Er bedauere, dass Schuster im Streit um S 21 Schmähungen und unberechtigter Kritik ausgesetzt gewesen sei.

Schusters Blick über den Kesselrand

Für die SPD erklärte Fraktionschefin Roswith Blind, Schuster habe stets über den Kesselrand hinausgeschaut und dabei die Welt im Blick gehabt – „auch wenn wir uns gewünscht hätten, dass diese Internationalität noch mehr Früchte im Rathaus trägt“. Es sei aber nicht zuletzt das Verdienst des scheidenden OB, dass in Stuttgart Internationalität selbstverständlich sei, so Blind. Sie erinnerte auch daran, dass der OB 2009 den Haushalt mit der neuen ökosozialen Mehrheit im Rat verabschiedete – gegen CDU, FDP und Freie Wähler. „Damit haben Sie gezeigt, dass Sie über den Parteien stehen.“ Der Vorsitzende der Freien Wähler, Jürgen Zeeb, lobte die Finanzpolitik Schusters. Bernd Klingler (FDP) erklärte, seine Fraktion sei stolz, in der Ära Schuster mitgearbeitet zu haben: „Sie haben die Marke Stuttgart in die Welt getragen.“ Rolf Schlierer (REP) sagte, Schuster habe „seine Pflicht und Schuldigkeit getan“. Uwe Theilen, Chef des Gesamtpersonalrats, betonte, der OB sei nie dem Lockruf des Neoliberalismus verfallen und habe wilden Privatisierungsversuchen widerstanden.

Schuster sagte, es falle ihm schwer, das Rathaus zu verlassen. Seinen Dank an die Beigeordneten, den Rat und die Mitarbeiter verband er mit dem Appell, Sachfragen nicht aus ideologischen Gründen zu Glaubensfragen zu machen. Bei Stuttgart 21 gehe es nicht mehr um die Frage, ob das Projekt vernünftig sei: „Es ist eine Sache, seine Meinung zu vertreten, eine andere, demokratische Umgangsformen zu wahren.“ Er bat darum, seinem Nachfolger das gleiche Vertrauen entgegenzubringen, „das Sie auch in mich gesetzt haben.“