Bei der letzten Sitzung des Waiblinger Gemeinderats vor den Sommerferien hieß es Abschied nehmen: Acht langjährige Mitglieder verabschiedeten sich aus dem Gremium. Darunter waren Räte, die ihr Ehrenamt seit 39 Jahren ausgeübt haben.

Waiblingen - Ein Triumph ist dem SPD-Stadtrat Klaus Riedel gegen Ende seiner 39-jährigen Laufbahn als Kommunalpolitiker noch vergönnt gewesen: ein Oberbürgermeister Andreas Hesky, dem die Worte fehlten. „Es ist nicht einfach, unseren OB sprachlos zu erleben“, sagte Riedel in der letzten Sitzung des bisherigen Waiblinger Gemeinderats. Er, Riedel, habe es aber tatsächlich geschafft – mit seiner Ankündigung, nicht mehr für den neuen Gemeinderat kandidieren zu wollen.

 

Am Donnerstagabend herrschte hingegen kein Mangel an Worten bei der Verabschiedung von sieben langjährigen Räten sowie einer Rätin (siehe „Der alte und neue Gemeinderat Waiblingen“). Andreas Hesky würdigte deren insgesamt „zweihundertsieben Jahre Erfahrung in der Kommunalpolitik“. Viel Lob war zum Abschied zu hören, ein bisschen Ironie und auch der ein oder andere bissige Kommentar.

Der Ratssaal als „zweites Wohnzimmer“

Kein Wunder, schließlich sind manche der scheidenden Räte knapp 40 Jahre im Ratssaal zusammengesessen. Nämlich Klaus Riedel und Friedrich Kuhnle (Demokratische Freie Bürger), die bereits in den ersten Gemeinderat nach der Kommunalreform gewählt wurden und seitdem ohne Unterbrechung im Gremium saßen. Dementsprechend sprach Friedrich Kuhnle vom Ratsaal als seinem „zweiten Wohnzimmer“, in dem es freilich nicht immer gemütlich zuging. Kuhnle erwähnte als eines der schlimmsten Erlebnisse seiner Gemeinderatskarriere den Tag, an dem Gegner des Projekts Marktgasse einen lebenden, streng riechenden Ziegenbock ins Kommunalparlament brachten. In seinem Rückblick sagte er, es sei ihm im Lauf der Jahre „immer schwerer gefallen, mit populistischen Redebeiträgen umzugehen“. Trotzdem: Er gehe nicht im Frust, aber „39 Kilo schwerer als vor 39 Jahren“.

Bereits Ende des vergangenen Jahres hatte Kuhnle den Fraktionsvorsitz abgegeben – und später im Gespräch mit dem Oberbürgermeister bedauert, „nicht mehr an der Quelle zu sitzen“. Als kleinen Trost überreichte Andreas Hesky zum Abschied einen Gutschein „für zehn persönliche Besprechungen mit mir.“ Auch so wird Friedrich Kuhnle den Draht zum Gemeinderat nicht ganz verlieren – sein Sohn Matthias ist quasi für ihn aufgerückt. Gleiches gilt für den nach 30 Jahren aus dem Rat scheidenden Günter Escher (DFB), dessen Sohn Volker neu in den Rat gewählt wurde.

Einen intensiven E-Mail-Verkehr zu später Stunde – „meist zwischen 22 und 23 Uhr“, so Hesky, habe er mit Klaus Riedel gehabt. Da sei es zu tiefgründigen, philosophischen Betrachtungen gekommen. Vertiefen wolle er das an dieser Stelle nicht, sagte Hesky und zitierte einen Satz, der Riedels Markenzeichen war: „Aber mehr sage ich dazu heute nicht. Punkt.“

Einst wurde in der Sitzung kräftig gepafft

Riedel begründete seinen Rückzug aus dem Waiblinger Rat so: „Als ich erfahren habe, dass der Ratskollege Hans-Ingo von Pollern, der OB und die Bürgermeisterinnen Dürr und Priebe bis zur Rente weitermachen wollen, war nicht zu erwarten, dass ich hier noch was Neues erleben darf.“

Martin Kurz (CDU), seit 34 Jahren Gemeinderat, erinnerte sich an die Zeit, als in der Sitzung noch Zigarren gequalmt wurden: „Wenn die glühten, wurden die besten Entscheidungen gefällt.“ Der SPD-Mann Karl Bickel sagte nach seiner 20-jährigen Ratskarriere, für dieses Ehrenamt brauche man Sitzfleisch und Stehvermögen. Überhaupt spielten „sitzen“ und „stehen“ eine wichtige Rolle. Sein Fazit: „Man muss der Verwaltung hin und wieder ordentlich auf die Füße stehen, bis etwas sitzt.“

Der alte und der neue Gemeinderat Waiblingen

Zahlen
In einer fünfjährigen Amtszeit kommt einiges zusammen: Der Waiblinger Gemeinderat und seine Ausschüsse haben in der vergangenen Legislaturperiode 2735 Tagesordnungspunkte behandelt, davon 1859 öffentlich, 876 nicht öffentlich. Insgesamt tagte der Rat 51 Mal, der Ausschuss für Planung, Technik und Umwelt 47 Mal, der Ausschuss für Bildung, Soziales und Verwaltung 46 Mal und der Wirtschafts-, Kultur- und Sportausschuss 41 Mal.

Ausscheider
Sieben altgediente Räte und eine langjährige Rätin haben bei der jüngsten Wahl nicht mehr kandidiert. Ausgeschieden sind aus der SPD-Fraktion der bisherige Fraktionsvorsitzende Klaus Riedel, Karl Bickel und Fritz Lidle. Die DFB-Fraktion verliert Friedrich Kuhnle und Günter Escher, die CDU Martin Kurz und Sieglinde Schwarz. Aus der FDP-Fraktion scheidet Horst Sonntag aus.

Neulinge
Am Donnerstagabend sind folgende Rätinnen und Räte erstmals verpflichtet worden: Gabriele Supernok (CDU), Peter Beck und Urs Abelein (SPD), Matthias Kuhnle und Volker Escher (DFB), Bernd Mergenthaler (FDP), Daniel Bok (Grünt) und Monika Winkler (ALi).