Freie Wähler und SÖS hatten bei der Gemeinderatswahl in Stuttgart jeweils doppelt so viele Mandate erhofft wie sie bekommen haben. Auch die Grünen haben das selbst gesteckte Ziel verfehlt.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Mitunter neigt Winfried Kretschmann ja dazu, übervorsichtig zu sein. Wird er zum Beispiel nach seiner Prognose zu einer Wahl gefragt, lächelt er und sagt, dass er nur ein Ministerpräsident sei, kein Philosoph. Das war’s. Prognose am Wahlabend und Prognosen der Parteien im Vergleich

 

Kretschmanns Parteifreund Peter Pätzold ist da anders. Gemeinsam mit sechs Kollegen aus dem Gemeinderat hat er wenige Tage vor der Kommunalwahl als Gast im Newsroom der Stuttgarter Zeitung seinen Tipp abgegeben. Und siehe da: in einer seltenen Koalition mit dem Fraktionschef der Freien Wähler, Jürgen Zeeb, hat sich erwiesen, dass der Steuermann der Grünen-Fraktion die politische Stimmung in Stuttgart ganz ordentlich eingeschätzt hat. Die prognostizierte Sitzverteilung der beiden unterschied sich von der realen nur um zehn Mandate. Alexander Kotz (CDU), Matthias Oechsner (FDP), Hannes Rockenbauch (SÖS) und Thomas Adler (Linke) lagen dagegen bei zwölf Sitzen daneben. Schlusslicht Marita Gröger (SPD) hat die Mandatsverteilung um 14 Sitze verfehlt.

Endergebnis und Stimmzettelergebnis im Vergleich

Der Fairness halber muss gesagt werden, dass in dieser Auswertung nur die Differenzen zwischen den wirklich erzielten Mandaten der Parteien und den jeweiligen Prognosen der Kandidaten zusammengezählt sind. Eine qualitative Bewertung fand in der kleinen Spielerei nicht statt.

Auch die Prognose des SWR hatte wesentliche Unschärfen

Etwas ernsthafter wird die Angelegenheit allerdings, wenn man die Prognosen der Kandidaten für ihre eigene Partei anschaut. Dann wird deutlich, wie groß Freude oder Enttäuschung wirklich sein müssen. Jürgen Zeeb hatte seine Freien Wähler nämlich doppelt so stark gesehen: Er prognostizierte acht Mandate, geworden sind es aber nur vier. Genauso erging es Hannes Rockenbauch: Er wähnte seine SÖS bei sechs Sitzen, tatsächlich haben es nur drei Bewerber in den Rat geschafft. Bitteres Erwachen auch für Peter Pätzold: Er hoffte auf 17 Sitze, jetzt dürfen lediglich 14 Grüne Platz nehmen.

Wie schwierig derlei Vorhersagen sind, zeigt ein Blick auf die Prognose, die der SWR am Sonntag erstellt hat. Zwar sagten die Forscher die Resultate von SPD, FDP, Freien Wählern, AfD und Linken korrekt voraus. Doch ausgerechnet bei den beiden großen Fraktionen wurde die Fehlertoleranz voll ausgeschöpft. Die Demoskopen hatten ein Patt von 15:15-Sitzen zwischen CDU und Grünen erwartet. In der Realität gewann die Union mit 17:14.