Die Ablehnung einer Gemeinschaftsschule ist bei Rektoren und Eltern auf scharfe Kritik gestoßen. Der Stadtpolitik wird Konzeptionslosigkeit vorgeworfen.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Filderstadt - Die Hängepartie um die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule schlägt in Filderstadt hohe Wellen. Nach der Ablehnung der beiden von der Stadt ins Auge gefassten Standorte in Bernhausen und Bonlanden hat sich am Freitag der Schulleiter Ralph Schindler zu Wort ge- meldet. Der Rektor der Werkrealschule in Bonlanden fühlt sich von der Stadtpolitik schlicht verschaukelt – und wirft vor allem dem bürgerlichen Lager im Gemeinderat erschreckende Konzeptionslosigkeit vor.

 

„Ich ärgere mich maßlos, dass die Standpunkte der Fraktionen überhaupt keine Dauerhaftigkeit zu haben scheinen“, sagt der Pädagoge. Seine Gefühlslage nach der Ablehnung der neuen Schulform beschrieb er auf Nachfrage als „von großem Frust geprägt“. Von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Stadtpolitik könne keine Rede sein. „Wir sind weder von der CDU noch von den Freien Wählern gehört worden. Das ist einfach nicht korrekt – und auch nicht im Interesse betroffener Schüler und Eltern“, beklagt der erzürnte Rektor.

Rektor sieht die Werkrealschule als Auslaufmodell

Ralph Schindler ist als Geschäftsführender Schulleiter auch das Sprachrohr aller zwölf Bildungseinrichtungen in Filderstadt. Aus Sicht des Rektors droht sowohl der Gotthard-Müller-Schule als auch der Werkrealschule Bonlanden durch Schülermangel das Aus. „Alle sind sich einig, dass diese Schulform mit ihrem jetzigen Profil austrocknen wird“, sagt Schindler.

Schon in diesem Jahr habe nur ein Viertel der Eltern von Grundschulkindern mit einer Empfehlung für die Werkrealschule ihre Sprösslinge auch angemeldet. Der Löwenanteil der Kinder werde wegen der vermeintlich besseren Bildungschancen auf die Realschulen geschickt – wo viele mit dem Lernstoff heillos überfordert seien. „Für diese Kinder wäre die Gemeinschaftsschule die richtige Lösung“ sagt Schindler. Er kündigt massive Proteste aus der Elternschaft gegen die Ablehnung an: „Es ist der Hammer, dass wir eigentlich Bedarf für zwei Gemeinschaftsschulen haben und die Stadtpolitik keine einzige einrichten will“.

Entscheiden soll der Gemeinderat am 15. Dezember

Auslöser für den flammenden Appell war das Abstimmungsergebnis einer nicht-öffentlichen Sitzung im für Finanzen, Kultur und Sozialthemen zuständigen Ratsausschuss. Während sich SPD und Grüne für die Einrichtung der neuen Schulform aussprachen, stimmte das bürgerliche Lager sowohl gegen Bernhausen als auch gegen Bonlanden als Standort. Allerdings handelte es sich um eine Vorberatung. Den endgültigen Beschluss soll der Gemeinderat in der Sitzung am 15. Dezember treffen.

Für die Fraktionsgemeinschaft von CDU und FDP sagte Christoph Traub am Freitag, eine neue Schulart in Filderstadt nicht für erforderlich zu halten. Die Stadträte stören sich am Zwang zu einem Ganztagsbetrieb, der Eltern keine Wahlmöglichkeit lasse. „Das bringen wir nicht mit dem von uns vertretenen Familienbild in Einklang“, begründete der Fraktionschef in einer achtseitigen Stellungnahme. Auch das Kostenargument zu vieler Schulstandorte taucht in dem Papier von CDU und FDP mehrfach auf. „Es greift zu kurz, nur über die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule zu entscheiden und die Werkrealschule passiv auslaufen zu lassen. Für uns ist es ein Gebot der Fairness, Schülern und Eltern eine verbindliche Antwort über die Zukunft ihres Schulstandorts zu geben.“

CDU will keine neuen Klassen in den Werkrealschulen

Traub will an den Werkrealschulen in Harthausen und Bonlanden von 2016 an keine neuen Eingangsklassen mehr bilden, frei werdende Räume im Bildungszentrum Seefälle solle aus seiner Sicht die Realschule nutzen. An Gotthard-Müller-Schule, Fleinsbachrealschule und Realschule Bonlanden solle ein offener Ganztagsbetrieb entstehen.

Verwundert zeigt sich der Fraktionschef, dass die Stadt die Schulen nur zur Ablehnung der Gemeinschaftsschule, nicht aber zum Ausbau des Ganztagsangebots informiert habe. Außerdem kritisiert Traub die Sprachlosigkeit von Rathauschefin Gabriele Dönig-Poppensieker: „Die persönliche Sicht der Oberbürgermeisterin zur Schulentwicklung ist nicht bekannt“.

Elternvertreter verurteilen die Ablehnung scharf

Der Gesamtelternbeirat in Filderstadt hat die Ablehnung am Freitag scharf verurteilt. „Wir fordern die Mitglieder des Gemeinderats auf, diese Entscheidung gründlich abzuwägen und Eltern und Wähler nicht vor den Kopf zu stoßen“, schreiben André Brückner und sein Stellvertreter Jens Fischer. Vor zwei Jahren hätten Stadt und Fraktionen beteuert, sich bei der Schulentwicklung nach den Eltern zu richten. Eine mit immensem Aufwand organisierte Befragung habe ergeben, dass 41 Prozent ihren Nachwuchs in eine Gemeinschaftsschule schicken würden. „Hochgerechnet sind das sechs parallele Klassen!“

Schon SPD-Fraktionschef Walter Bauer hatte beklagt, dass der Elternwille von den konservativen Fraktionen „mit Füßen getreten werde“. Die Grüne Catherine Kalarrytou warf dem bürgerlichen Lager eine Verzögerungstaktik vor. Zünglein an der Waage könnten die Freien Wähler werden: Laut Fraktionschef Stefan Hermann stehen seine Stadträte der Einrichtung einer Gemeinschaftsschule offen gegenüber, vermissen aber ein Konzept für alle Werkreal – und Realschulen.