Die Bildungsgewerkschaft GEW beklagt die mangelhafte Ausstattung der Gemeinschaftsschule - Kritikpunkt ist die Lehrerausbildung.  

Stuttgart - Vor der Einführung der neuen Gemeinschaftsschule zum Schuljahr 2012/13 kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Bildung (GEW) die Erwartungen an die Lehrer der neuen Schulart.

 

Nach der Darstellung von Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD), müssen alle Lehrer an Gemeinschaftsschulen 27 Wochenstunden unterrichten. Das entspricht der Unterrichtsverpflichtung von Haupt- und Realschullehrern. Gymnasiallehrer haben ein Deputat von 25 Wochenstunden. Auch sie sollen aber an Gemeinschaftsschulen lehren. An Gemeinschaftsschulen können bis zu 28 Schüler in einer Klasse sitzen. Die Schulen sind in der Regel zweizügig.

Jedoch sollen an den Gemeinschaftsschulen Lerngruppen weitgehend die herkömmlichen Klassen ersetzen. Alle Schüler sollen individuelle Lern- und Förderpläne erhalten. Sie können laut Kultusministerium jederzeit an jede andere allgemeinbildende Schule in Baden-Württemberg wechseln. Die ersten Gemeinschaftsschulen arbeiten in den Jahrgangsstufen fünf und sechs nach dem Bildungsplan der Realschule. Gymnasiale Standards werden dabei einbezogen. Gemeinschaftsschulen, die mindestens 60 Schüler haben, die die gymnasiale Oberstufe besuchen wollen, dürfen diese Oberstufe einrichten.

Lehrerarbeitszeit bedarf neuer Regelung

Die ersten Gemeinschaftsschulen erhalten zwei zusätzliche Lehrerwochenstunden pro Lerngruppe für den Umgang mit heterogenen Schülergruppen. Außerdem erhalten sie in den ersten drei Jahren pro angefangenem Zug insgesamt sechs zusätzliche Stunden. Die GEW lobt zwar den Gesetzentwurf zur Gemeinschaftsschule als historischen Moment für Baden-Württemberg und begrüßt, "dass individuelle Lernformen selbstverständlich werden". Die Ausstattung sei aber enttäuschend. Zwei Stunden zusätzlich würden nicht ausreichen. Eine neue Lernkultur brauche mehr Zeit und erfordere höhere Investitionen. Die Regierung baue dagegen "auf die Selbstausbeutung der Lehrer".

Die Kultusministerin hatte angekündigt, im Zusammenhang mit der Einführung der Gemeinschaftsschule müsse die Lehrerarbeitszeit möglicherweise neu geregelt werden. Die Lehrerausbildung müsse von den Schularten getrennt werden.

Die oppositionelle CDU beklagt ebenso wie die FDP, die Regierung verabschiede sich vom erfolgreichen Schulsystem in Baden-Württemberg. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Hauk kritisierte, die schulorganisatorische Planung der Kultusministerin sei von vielen Unbekannten und von unrealistischen Hoffnungen getragen. Hauk bezweifelt, dass Gymnasiallehrer an Gemeinschaftsschulen arbeiten werden, wenn sie dort zwei Stunden mehr unterrichten müssen

Lehrerausbildung muss angepasst werden

Namens der Landesvereinigung baden-württembergischer Arbeitgeber fordert deren Vorsitzender Dieter Hundt eine grundlegende Änderung der Lehrerausbildung. Für die neuen Lernformen der Gemeinschaftsschulen seien die meisten Lehrer nicht ausgebildet. Auch eine "breit angelegte Fortbildungsoffensive" hält Hundt für notwendig. In einem zwölf Punkte umfassenden Positionspapier verlangen die Arbeitgeber einen landesweiten Schulentwicklungsplan. Die neue Schulform dürfe nicht für eine regionale Standort- und Strukturpolitik missbraucht werden.

Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle unterstützt die Gemeinschaftsschule. Sie trage den steigenden Anforderungen des Handwerks Rechnung. Das Handwerk misst Konzepten der Berufsorientierung und der Aus- und Weiterbildung der Lehrer besondere Bedeutung zu.

Ministerin will gerechte Verteilung von G 9-Zügen

Alternative Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) will bei der Wiedereinführung von neunjährigen Gymnasialzügen als Alternative zu den achtjährigen auf gerechte Verteilung achten. Die Zahl von 44 Modellschulen sei genannt worden, sagte sie am Dienstag in Stuttgart mit Blick auf die 44 Stadt- und Landkreise im Südwesten.

44 Modellschulen Am Vortag hatte die grün-rote Koalition beschlossen, in den kommenden zwei Schuljahren je 22 Modellschulen mit G9 zuzulassen. Dafür stehen nach Worten der Ministerin zehn zusätzliche Lehrerstellen im Schuljahr 2012/13 bereit. Voraussetzung für die Wiedereinführung des neunjährigen Zuges ist die Vierzügigkeit.

Auswertung Die Schulen dürfen das zusätzliche Jahr auf dem Weg zum Abitur einschieben, wo sie wollen. Nach neun Jahren werde das Modell ausgewertet. Sie fügte an: "Meine Vorstellung ist, dass wir dieses Modell nicht mehr brauchen, wenn die Gemeinschaftsschule gutgeht." Sie kann die Schüler nach 13 Jahren zur Reifeprüfung bringen.