Die EnBW bereitet den Rückbau des Kernkraftwerks in Neckarwestheim vor. Doch Kritiker sehen schwere Mängel und fordern den sofortigen Stopp des Verfahrens.

Gemmrigheim/Neckarwestheim - Es klingt kurios: Ausgerechnet die Atomkraftgegner, die jahrelang für die Abschaltung der Kernkraftwerke kämpften, fordern nun den Stopp der Vorbereitungen für den lang ersehnten Rückbau des Atomkraftwerks Neckarwestheim. Grund dafür ist die Art des geplanten Vorgehens: Dieses ist aus Sicht der Kritiker höchst riskant und zu wenig transparent. Beim Land und dem Stromkonzern EnBW, der das Kraftwerk betreibt, zeigt man sich erstaunt: Es laufe alles gemäß der gesetzlichen Vorgaben, heißt es.

 

Seit Anfang der Woche ist der Antrag der EnBW auf die Genehmigung des Rückbaus für die Bürger einsehbar. Schon kurz nach Beginn der öffentlichen Auslegung meldet sich nun die Arbeitsgemeinschaft Atomerbe Neckarwestheim, ein Zusammenschluss mehrerer kernkraftkritischer Bürgerinitiativen aus der Umgebung, zu Wort. Das Genehmigungsverfahren müsse wegen schwerer Mängel sofort ausgesetzt werden, fordern die Umweltschützer.

Kritik an mangelhafter Information der Bürger

Denn aus ihrer Sicht wird die Öffentlichkeit nur mangelhaft darüber informiert, was künftig in Neckarwestheim passieren soll. So sei nur jetzt, vor der Genehmigung des Rückbaus, eine offizielle Beteiligung der Bürger vorgesehen. Für die weiteren 15 bis 20 Jahre, die der Abbau der Anlage voraussichtlich dauern werde, sei hingegen keine einzige Offenlegung von Unterlagen geplant. Und das, obwohl erst in einigen Jahren das riskanteste Unterfangen, nämlich der Abriss des Reaktordruckbehälters, anstehe. Zu diesem Schritt gebe es überhaupt keine Informationen, moniert Herbert Würth, der Sprecher des Bündnisses Atomerbe Neckarwestheim: „Das soll alles intern geregelt werden.“

Aber auch die nun vorliegenden Informationen seien keinesfalls ausreichend, sagt Würth. So fehle eine vollständige Erfassung der radioaktiven Strahlung einzelner Elemente im Reaktor: „In den Antragsunterlagen sind nur Schätzungen angegeben“, behauptet er.

Hinzu komme das äußerst problematische sogenannte Freimessen. Dabei werden Teile aus dem Kraftwerk auf ihre radioaktive Strahlung untersucht. Liegt der Wert einer bestimmten Menge an Material, beispielsweise Metall oder Beton, unter dem Grenzwert, kann es als normaler Wertstoff weiter verwendet werden. Laut Würth ist das höchst gefährlich: So könne es dazu kommen, dass Kochtöpfe oder Straßenbeläge radioaktiv kontaminiert seien.

Sicherer Einschluss statt Rückbau gefordert

Angesichts dieser Probleme plädiert Würth dafür, als Alternative zum Rückbau den sogenannten sicheren Einschluss zu wählen. Dabei wird der Reaktor samt allen Materials einige Jahre lang stehen gelassen, um die Radioaktivität abklingen zu lassen. „Anschließend hätte man ein viel kleineres Problem beim Rückbau“, sagt Würth. Insgesamt fordern die Atomgegner deshalb den Neustart des Abriss-Genehmigungsverfahrens und im Übrigen die sofortige Stilllegung des zweiten Atomreaktors in Neckarwestheim.

Weder bei der EnBW noch im Umweltministerium kann man die Kritik der Initiativen nachvollziehen. Es würden die gesetzlich vorgegebenen Verfahrensabläufe eingehalten, heißt es von beiden Seiten. Außerdem würden die Bürger kontinuierlich informiert, nicht zuletzt über die neu eingerichtete Info-Kommission. In puncto Freimessung seien zudem die Grenzwerte so gewählt, dass eben keine Gefährdung entstehen könne.

Die EnBW betont darüber hinaus, der Konzern habe die Gesamtkonzeption des Rückbaus im Antrag vorgestellt, diese sei auch bis zum Abschluss des Projektes bindend. Zudem erfolge die Abschätzung der Radioaktivität im Reaktor stets sehr fundiert, und der Strahlenschutz werde sehr ernst genommen. Nicht zuletzt habe man den sogenannten sicheren Einschluss durchaus diskutiert, sich aber dagegen entschieden, weil man den Rückbau nicht auf die lange Bank schieben wolle.