Yasmin Fahimi ist als Generalsekretärin eine Quereinsteigerin in der SPD. Sie muss deshalb erst lernen, wie ihre Partei funktioniert – und sie muss auch noch um Rückhalt werben.

Berlin - Yasmin Fahimi hat einen kleinen Schraubstock zu Hause, sie bewahrt ihn auf wie andere ein Schmuckstück. Die Generalsekretärin der SPD hat ihn nämlich selbst gebaut, als sie sich vor ihrem Chemiestudiums ein paar Monate der Elektrotechnik widmete. Nie hätte sie damals geglaubt, dass sie es hinbekommen würde, sagt sie heute. Aber sie hat es trotzdem versucht, hat nicht aufgegeben. Zäh sei sie ja, das sagen selbst ihre Kritiker. Auf einer Fahrt ins Ruhrgebiet, vom Chemiepark in Dormagen hin zum Bergwerk Auguste Victoria in Marl, erinnert sich Fahimi, wie faszinierend sie es damals fand, den Bauplan für so ein Werkzeug in einzelne Arbeitsschritte zu zergliedern – mit dem Ziel, das scheinbar Unerreichbare am Ende in Händen halten zu können.

 

Als Generalsekretärin zu bestehen ist eine nicht minder schwere Aufgabe. Die SPD-Führung will an diesem Samstag über den Kurs der Partei beraten. Man wird über Waffenlieferungen streiten, vor allem aber will der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel das wirtschaftspolitische Profil der Partei angesichts einer sich eintrübenden Konjunktur geschärft sehen. Fahimi wurde beauftragt, gemeinsam mit Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel in den nächsten zwei Jahren das Wirtschaftsprogramm der SPD aufzupolieren. Fragt sich nur: wie soll sie das schaffen? Gabriel ist Wirtschaftsminister, brillanter Ideenfabrikant und anerkannter Besserwisser. Und er ist ihr Chef.

Fahimi wirkt oft spröde und unspektakulär

Fahimi sagt, sie wolle verstehen, wie die Welt funktioniert. Die Chemikerin sucht nach Gesetzmäßigkeiten, ist ja auch Naturwissenschaftlerin – das hat sie mit Kanzlerin Angela Merkel gemein. Sie beobachtet. Sie wertet aus. Dann zieht sie ihre Schlüsse. Hübsch der Reihe nach und mit Bedacht. Wenn Fahimi dann über ihr Bild dieser Gesellschaft spricht, klingt das nicht nach großer Vision. Eher wie der Vortrag einer Gebrauchsanweisung.

Chemische Prozesse können leicht außer Kontrolle geraten, wenn Details falsch bedacht werden. Für die Politik gilt das nicht minder. Deshalb ist die 46-Jährige ja schon mal froh, in den ersten sieben Monaten ihrer Amtszeit keine größeren Fehler gemacht zu haben. Ihr Problem ist: selbst wenn ihr einer unterlaufen wäre, hätte es kaum jemand mitbekommen. Sie wirkt mit ihrem Hang zur Selbstkontrolle oft spröde und unspektakulär. Der Parteivize und Schnellsprecher Ralf Stegner mache ihren Job, nörgeln sie in der Partei.

Mit Gabriel pflegt sie einen geschäftsmäßigen Umgang

Wahr ist aber auch: Yasmin Fahimi hat den schwersten Posten übernommen, den die SPD zu vergeben hat. Die Genossen genießen ihre Programme und Parteitagsbeschlüsse in der Realität gern pur. Sie mögen es nicht, wenn irgend ein Koalitionspartner und schon gar nicht, wenn die Union Wasser in den Wein kippt. Von der Generalsekretärin wird deshalb verlangt, die Partei in dieser Regierungszeit kenntlich zu machen. Wie aber soll das gehen, wenn sie kaum einer kennt? Rückhalt in der Partei muss sie sich noch erarbeiten. Sie hat kein Bundestagsmandat und keinen Landesverband hinter sich. Sie war Juso und Vizechefin des Stadtverbandes Hannover, okay. Aber Karriere machte sie zunächst nur als Funktionärin der Gewerkschaft IG BCE.

Auf Gabriel kann sie nicht setzen. Mit ihm pflegt sie einen geschäftsmäßigen Umgang, das schon, aber zu seinen engsten Beratern zählt seine Statthalterin im Willy-Brandt-Haus nicht. Er hat sie ja auch nur deshalb geholt, weil er das Nordlicht Ralf Stegner nicht zum Generalsekretär machen konnte. Gabriel musste wegen der vielen Männer an der Parteispitze ein weibliches Gesicht präsentieren. Er suchte nach einer Frau, der er entweder vertrauen oder die ihm nicht gefährlich werden kann. Weil Gabriel nur ganz wenigen Menschen traut, präsentierte er Ende 2013 Fahimi.

Die durfte dann aber, obwohl sie laut Arbeitsvertrag eigentlich Wahlkampfkampagnen organisieren soll, erst mal zugucken, weil den Europawahlkampf Gabriels Vertrauter Matthias Machnig organisierte. Erst seit dieser Wahl Ende Mai hat sie in der Parteizentrale etwas Luft.

Sie nutzt die Zeit, hat das Willy-Brandt-Haus bereits personell neu geordnet. Jetzt will sie die Partei so organisieren, dass sie ihre Schwächen vor allem in ländlichen Regionen und im Osten in den Griff bekommt. Organisation kann sie, das hat sie bei der Gewerkschaft gelernt. Aber das reicht nicht. Sie hat bis zu ihrer Nominierung als Generalin weder Pressekonferenzen bestritten noch Talkshows durchgestanden. Also begann sie zu lernen; sie lässt sich coachen. Um in der Partei anzukommen, reist sie durchs Land, um in den Ortsvereinen Hände zu schütteln, fährt mit den Kumpeln ins Bergwerk und feiert ein Grillfest mit Genossen in Paderborn. Sie will aufholen. Ihr Plan sieht vor, am Ende mehr zu sein, als Gabriels Notlösung. Deshalb knüpft sie ein Netz, das sie im Notfall hält, denn es ist nicht klar, ob Gabriel das gefallen wird.