Die Smartphone-Generation ist nicht nur am Steuer, sondern auch zu Fuß eine Gefahr im Straßenverkehr.

Stuttgart - So trifft man sie allerorten, die Vertreter der Generation „Kopf unten“: Den Blick stier aufs Display des Smartphones gerichtet, schleichen sie über Bürgersteige, queren blindlings Straßen und Gleise, verstopfen U-Bahn-Türen. Sie chatten, streamen, spielen oder daddeln sonst wie an ihrem Taschencomputer herum. Und bringen damit unter Umständen sich selbst, aber auch andere in Gefahr.

 

Nun hat die Dekra Unfallforschung dem Phänomen eine große Untersuchung gewidmet. Deren zentrale Ergebnisse, die am Freitag in Stuttgart veröffentlicht wurden, sind eindeutig und erschreckend: 17 Prozent der Fußgänger nutzen ihr Smartphone, während sie im öffentlichen Raum unterwegs sind. Häufig überqueren sie dabei selbst viel befahrene Straßen, ohne darauf zu achten, was um sie herum geschieht.

Test in sechs europäischen Hauptstädten

Die Dekra schickte für die Studie Mitarbeiter in sechs europäische Hauptstädte – Amsterdam, Berlin, Brüssel, Paris, Rom und Stockholm. Jeweils an drei verschiedenen Stellen wurden insgesamt 14 000 Fußgänger dabei beobachtet, wie sie ihr Smartphone nutzen. Die Erhebungen konzentrierten sich auf Kreuzungen und Fußgängerüberwege in Zentrumsnähe, auf Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel und auf Bahnhöfe, eben dort, wo die Fußgängerdichte besonders groß ist.

Die Dekra-Beobachter berichteten von extremen Situationen. „Immer wieder waren Gruppen von jungen Menschen zu sehen, die gemeinsam in ein Smartphone schauten, während sie die Straße überquerten. In einem Fall kollidierte sogar die ganze Gruppe mit einem Fahrradfahrer“, sagte Dekra-Vorstand Clemens Klinke.

Besonders eindrücklich sei eine Szene in Stockholm gewesen. Ein junges Mädchen sei mitten auf der Straße stehen geblieben, habe ihr Handy herausgeholt und zu tippen begonnen. „Erst als ein Busfahrer hupt, wird ihr klar, wo sie steht, und sie geht weiter“, berichtet Klinke. Sein Fazit: „Viele Fußgänger unterschätzen offenbar die Gefahren, denen sie sich selbst aussetzen, wenn sie ihre Aufmerksamkeit auf solche Art vom Straßenverkehrsgeschehen abwenden.“

Keine Ordnungswidrigkeit

Anders als bei der Handynutzung am Steuer oder auf dem Rad droht Fußgängern in Deutschland kein Bußgeld, heißt es bei der Polizei in Stuttgart. Wer sich vom Smartphone ablenken lasse, begehe keine Ordnungswidrigkeit. Erwischte Autofahrer dagegen müssen mit 60 Euro Bußgeld und einem Punkt in Flensburg rechnen, Radler kommen mit 25 Euro davon.

Aktuell gibt es noch keine Debatte darüber, ob abgelenkte Fußgänger ebenfalls mit einem Bußgeld belegt werden sollten. „Bevor man das ernsthaft diskutiert, braucht man belastbare Zahlen zu den Ablenkungsunfällen, die Fußgänger mit Smartphone verursachen“, sagte Jörg Kubitzki, Verkehrspsychologe und Unfallforscher am Allianz Zentrum für Technik in München. Entsprechende Studien gebe es noch nicht. Es sei allerdings offensichtlich, dass abgelenkte Fußgänger ein wachsendes Problem darstellen. Das könne angesichts der hohen Ausstattungsrate der Bevölkerung mit Smartphones gar nicht anders sein.