In den nächsten Jahren werden europaweit rund 50 Millionen junge Arbeitskräfte als Vertreter der Generation Y ins Arbeitsleben einsteigen.

Die amerikanischen Historiker Neil Howe und William Strauss haben die zwischen 1980 und 2000 Geborenen als 'die nächste große Generation' bezeichnet, die Generation Y. Im Englischen wird Y ausgesprochen wie why, das englische Wort für warum. Diese Generation stellt so ziemlich alles infrage: Hat der Chef recht, nur weil er Chef ist, und ist das gut, dass gerade er Chef ist und was er sagt? Warum sollten Familie und Karriere nicht vereinbar sein?

 

Kritiker aus den Generationen davor werfen ihnen mangelnden Ehrgeiz vor und stellen sie als Selbstverwirklicher und Traumtänzer dar, die eine Wohlfühlatmosphäre suchen, in der sie weiterhin verwöhnt werden. In den Unternehmen prallen Welten aufeinander. Umstimmen geht nicht. Aber anpassen. 'Die Unternehmen stellen Regeln für die neue Generation der Berufstätigen auf und belassen die der ?Alten? bei den alten', sagt Dr. Reinhard Scharff, geschäftsführender Gesellschafter von Personal-Total, Stuttgart-Mitte. Die Personalberatung hat 30 Niederlassungen in Deutschland und 2012 gut 800 geeignete Kandidaten für vakante Stellen in Unternehmen gefunden.

Scharff und seine Kollegen kennen die Generation Y daher sehr gut. Sie wissen, was ihre junge Kundschaft will. Und wie die Unternehmen reagieren oder reagieren sollten. Manche tun das schon in Ansätzen, nämlich dort, wo Knappheit an Bewerbern herrscht, bei Praktikanten und Auszubildenden. 'Dort sind die ersten demografischen Bremsspuren angekommen.' Noch nicht bei den Hochschulabsolventen, von denen gibt es nach Meinung von Scharff noch ausreichend viele. Außer in den MINT-Mangelberufen, allen voran bei den Ingenieuren. Unternehmen, die sich der jungen Generation stellen, geben soziale Medien für den Arbeitsplatz frei, bieten Computerspiele, Sportmöglichkeiten, Auslandsaufenthalte, planen schon für den Berufseinstieg gemeinsam mit den Kandidaten Karrieren und besprechen die Teilnahme an MBAs.

Technologieaffine Lebens- und Arbeitsweise zahlt sich aus

'Den Unternehmen bleibt letztendlich gar nichts anderes übrig, als ein Zweiklassensystem zu fahren', sagt Scharff. Die 'Alten' seien so anders in ihren Aktivitäten. Das passe nicht mehr zu den New Talents, 'die die Unternehmen und wir als Gesellschaft für die Zukunft brauchen'. Dass sie gebraucht wird, dessen ist sich die Generation der Infragesteller bewusst. Teilweise herrscht schon ein Arbeitskräftemangelmarkt zugunsten der Generation Y. Und die ist nach Meinung von Scharff viel besser als ihr Ruf: Sie ist gut ausgebildet, viele haben ein Hochschulstudium. Und sie zeichnet sich durch eine technologieaffine Lebens- und Arbeitsweise aus; es ist die erste Generation, die mit Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen ist. Deshalb werden die jungen Leute auch als Digital Natives bezeichnet - denen es leichter fällt, in virtuellen Teams statt in tiefen Hierarchien zu arbeiten. Familie, Freunde, Selbstverwirklichung, persönliche Freiheit, Work-Life-Balance und eine feste Partnerschaft sind mit gro ßem Abstand die wichtigsten Dinge im Leben der Generation Y.

'In einer Zeit, die gefühlt immer schneller verrinnt, in der jeder materielle Wert nur einen Mausklick entfernt ist, in der wir gestern noch über Facebook unsere Freundschaften pflegten und heute über Pinterest unser Leben mit Millionen anderen teilen, ist es verständlich, dass der Wunsch nach Beziehungen und Ankerpunkten im realen Leben wächst', sagt Melanie Vogel. Sie ist Geschäftsführerin der Agentur ohne Namen und Initiatorin der Studie 'Student Survey 2013', durchgeführt unter rund 400 Studierenden. 70 Prozent der Frauen und 72 Prozent der Männer erwarten, dass Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglich ist. Sowohl Männer (72 Prozent) als auch Frauen (64 Prozent) streben nach Führung und Verantwortungsübernahme - allerdings nicht um jeden Preis.

Die Andersartigkeit ist eine Facette von Vielfalt

Einbeziehen in Entscheidungen und Lob sind aus Sicht der Befragten die wichtigsten wertschätzenden Handlungen, die Arbeitgeber der Generation Y entgegenbringen können. Und dass die nur kuscheln will: weit gefehlt! 'Bewerber der Generation Y zeigen Leistungsbereitschaft und wollen Verantwortung übernehmen', sagt Astrid Geissler, im Personalmarketing der Bayer AG unter anderem zuständig für Talent-Management. Die Andersartigkeit von Generationen sei eine Facette von Vielfalt, wie auch unterschiedliche Nationalitäten, Geschlechter, Altersgruppen. 'Das fördern wir, weil Vielfalt Bestandteil unserer Unternehmens- und Führungskultur ist.' Der größte Unterschied zwischen den Generationen, den die Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) bisher feststellen konnte, ist das ausgeprägte Sinnbewusstsein der jungen Menschen von heute.

'Ihnen ist es sehr wichtig, mit ihrer Arbeit und ihrem Team etwas zu bewegen und einen wirklichen Impact zu schaffen', sagt Dr. Carsten Baumgärtner, Partner bei BCG und verantwortlich für das Recruiting. Ein substanzielles Umdenken sei nicht erforderlich, allerdings entwickle sich das Unternehmen mit der Zielgruppe weiter. Wie das viele andere auch tun werden. Für Baumgartner ist die Generation Y ein logischer Schritt der gesellschaftlichen Entwicklung. Für Reinhard Scharff musste die Generation Y einfach kommen, nach Managern, die nie Zeit hatten für ihre Familien, und Burn-out, 'um richtig zu machen, was ihre Väter falsch gemacht haben'. Sich selbst eingeschlossen.