Er hat – in früher Vorzeit – noch Langspielplatten aufgelegt. Ihr reicht ein Laptop. Die 24-jährige Salome Habte alias DJ Salome und der 44-jährige Martin Welzer alias DJ Friction im Gespräch.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)
Stuttgart - . Die Schankstelle in der Nähe des Stuttgarter Hauptbahnhofs: In der zur Bar umgewandelten ehemaligen Tankstelle unterhalten sich Martin Welzer und Salome Habte über ihr Metier, das Auflegen von Schallplatten. Mitten im Gespräch tritt eine ebenso junge wie bezaubernde Servicekraft an den Tisch, um angemessen hysterisch zu fragen: „Seid ihr wirklich DJs? Das ist ja total aufregend.“
Herr Welzer, seit wann arbeiten Sie als DJ?
Martin Welzer Ich habe im Jahr 1985 als Bedroom-DJ begonnen.
Bedroom-DJ heißt aber nicht, dass Sie ausschließlich in Schlafzimmern spielten.
DJ Salome Foto: Zweygarth
Welzer Nein, das ist ein stehender Begriff. Bedroom-DJ bedeutet, dass man erst einmal beginnt, im stillen Kämmerchen – in meinem Fall im Kinderzimmer in Leonberg – das Mischen von zwei Schallplatten zu erlernen, bevor man sich dann mit seinen Fähigkeiten an die Öffentlichkeit traut.
Wie kommt man darauf, in einem Alter, in dem andere Fußball spielen, sich mit dem Angleichen von Schallplatten zu beschäftigen?
Welzer Das ist in meiner Generation zwar schon fast eine Standardfloskel, es war aber der Film „Wild Style“. Der lief 1982 im ZDF, wenn ich mich richtig erinnere. Dank des Filmes bin ich erstmals mit der Hip-Hop-Kultur in Berührung gekommen. Was die mit Plattenspielern gemacht haben, war sehr beeindruckend. Außerdem hat meine große Schwester an der Bar einer Discothek in Leonberg gearbeitet. Sie hat mir eines Tages eine Kassette mit nach Hause gebracht, auf der ich zum ersten Mal gehört habe, dass Musik am Stück und ohne Unterbrechung laufen kann. Das kannte ich aus dem Radio nicht.
Frau Habte, damals waren Sie noch gar nicht auf der Welt!
Salome Habte Nein, ich bin 1990 geboren.
Gott, sind Sie jung. Wann haben Sie mit dem Auflegen angefangen?
Habte Ich bin da eher reingerutscht. In meinem Bekanntenkreis haben zwei aufgelegt, da durfte ich mich ein wenig ausprobieren. 2010 kam Steffen Posner von Cros Plattenfirma Chimperator – wir stammen beide mehr oder weniger aus dem gleichen Dorf, er aus Geislingen an der Steige, ich aus Eislingen – auf mich zu, ob ich für die Band Orsons als DJ fungieren möchte.
Welzer Du wurdest also gleich ins kalte Wasser geschmissen?
Habte Der Vorteil war, dass ich bei den Livekonzerten der Orsons anfangs nicht wirklich hart mixen musste.
Welzer Klar, eine Live-Situation als begleitender DJ ist etwas anderes, als einen Abend im Club ganz alleine bestreiten zu müssen.
Habte Genau, so konnte ich mir die technischen Fähigkeiten peu à peu aneignen.
Herr Welzer, Sie legen seit fast 30 Jahren auf. Wie hat sich Ihr Beruf technisch verändert?
Welzer In meiner Anfangszeit gab es nur Vinyl. Dann wurde die CD populärer. Als DJ habe ich das abgelehnt, weil es anfangs dafür keine guten Abspielgeräte gab, außerdem hat mir immer die Haptik gefehlt. Als Final Scratch aufkam, der Vorläufer der heute gängigen Programme auf dem Rechner, mit denen DJs arbeiten, war ich einer der Ersten in Stuttgart, die das Programm benutzt haben. Ich fand es spannend, unendlich viele Dateien auf dem Rechner mitführen zu können und keine Platten mehr schleppen zu müssen.
Also sind Sie kein Verfechter der DJ-Glaubensrichtung, nur Vinyl alleine sei selig machend?
Welzer Nein. Für mich steht der Inhalt im Fokus und nicht das Medium. Es geht darum, ob ich eine Crowd rocken, ob ich das Publikum lesen kann.
Haben Sie überhaupt noch mit Vinyl angefangen, Frau Habte?
Habte Nein, ich habe alle Schritte, die Martin beschrieben hat, übersprungen. Bei mir läuft es eher rückwärts: Ich habe mit dem Rechner angefangen und bin jetzt gerade dabei, meine Platten auszuprobieren, weil das ein ganz anderes Gefühl ist. Es ist schön, wenn man auch das Medium Vinyl beherrscht.
Ist es für Sie nicht alleine logistisch eine große Erleichterung, dass Sie nicht mehr 20 Kilo Übergepäck an Platten rumschleppen müssen?
Welzer Das ist einer der Hauptgründe, warum ich auf den Rechner umgestiegen bin. Das Plattenschleppen hat meinem Rücken nicht gutgetan. Das Einzige, was mich stört, ist, dass man Gefahr läuft, zu sehr in den Rechner zu starren. Das ist der Nachteil, wenn man eine so große Auswahl an Musik dabeihat, in der man sich verlieren kann.