Beim Genfer Autosalon dominieren an den Ständen die Pferdestärken. Doch das Gesprächsthema Nummer eins ist die Mobilität von morgen – also etwa die von Google und Apple.

Genf - Trotz einer Fülle von Premieren und einer Vielzahl von Ausstellern fehlt Ferdinand Dudenhöffer eine gute Portion Frische auf dem Genfer Autosalon. „Am Lac Leman trifft sich die konventionelle Autowelt. Inspiratives, das die Neuerfindung des Autos antreibt, fehlt. Das ist bedauerlich“, bemängelt der Leiter des Duisburger Forschungsinstituts CAR. Ausgerechnet zum Beginn einer neuen Ära des Autos, dem Aufbruch in eine neue Welt, so Dudenhöffer, fehlten in Genf die Newcomer, die Innovatoren aus dem Silicon Valley wie Google oder Apple, die vernetzte individuelle Mobilität und nicht nur das Fahrzeug in den Mittelpunkt stellen.

 

Auch wenn die Riesen aus dem Silicon Valley keinen Stand in Genf haben, sind sie in diesem Jahr doch eines der wichtigsten Gesprächsthemen. Die Autobauer mögen wie etwa Volkswagen bei seinem Konzernabend noch so viele neue Modelle mit noch mehr PS auffahren und die Journalisten noch so laut mit Techno-Musik beschallen – die Gespräche kreisen doch immer wieder um Apple, Google und den kalifornischen Newcomer Tesla, der den traditionellen Autobauern vorgemacht hat, wie man erfolgreich Elektroautos verkauft.

Die Gerüchteküche um ein iCar von Apple brodelt

Denn vor kurzem hat es wieder einmal in der kalifornischen Gerüchteküche gebrodelt. Die Agentur Bloomberg berichtete, dass Apple den Einstieg in das Autogeschäft vorbereite. Der Start der Produktion sei bereits 2020 geplant. Der Konzern aus Cupertino äußerte sich nicht zu dem Bericht. Kommt also nach dem iPhone und dem iPad bald das iCar? Die Kalifornier haben in der Vergangenheit immer wieder mit Spekulationen über „the next big thing“, das nächste große Ding, auf sich aufmerksam gemacht. Geld genug haben sie: Im vergangenen Quartal fuhr der Konzern einen Gewinn von 18 Milliarden Dollar (gut 16 Milliarden Euro) ein. Der Wert des Unternehmens stieg auf insgesamt 700 Milliarden Dollar, und die Kasse ist mit 178 Milliarden Dollar gut gefüllt. Der Suchmaschinenriese Google experimentiert schon seit Jahren mit selbstfahrenden Wagen, wobei immer wieder Gerüchte über eine Partnerschaft mit einem Autohersteller aufkommen, der die Wagen produzieren könnte.

Fachleute sind sich einig, dass Big Data, die Verarbeitung und Verknüpfung einer Vielzahl von Daten, ganz neue Geschäftschancen eröffnen wird. „Daten sind das neue Öl“, sagt VW-Chef Martin Winterkorn. Mithilfe von Autos könne man beispielsweise den besten Wetterbericht der Welt machen, weil kein Produkt über mehr Sensoren verfüge, die Informationen in Echtzeit liefern: Außentemperaturfühler, Regensensoren, Radsensoren für Glätte. In Genf stellt Winterkorn beim Konzernabend klar, dass die Wolfsburger keine Angst vor Newcomern haben: „Ich begrüße ausdrücklich das Engagement von Apple, Google & Co beim Thema Automobil“, sagt der VW-Konzernchef. Denn er sei sich sicher: „Dieses Engagement trägt dazu bei, dass unser Kernprodukt bei den jungen, internetaffinen Menschen mehr Akzeptanz findet. Und ich bin überzeugt: Die Generation der iPhone-Begeisterten wird sich dann für die richtigen Automobile aus dem richtigen Haus entscheiden.“ Volkswagen sei eine Innovationsschmiede, meint Winterkorn markig. Der Wolfsburger Konzern habe heute schon die größte vernetzte Fahrzeugflotte der Welt auf der Straße, und Audi sei der Pionier des automatisierten Fahrens.

Auftragsfertiger könnten für Google & Co hilfreich sein

BMW-Chef Norbert Reithofer meint, dass die Autobauer sich auf neue Wettbewerber einstellen müssten. Das habe man schon beim Elektroautohersteller Tesla gesehen. Die Autoindustrie sei nicht sicher davor, dass Unternehmen in den Markt einträten, deren Stärke vor allem bei Software und Vernetzung liege. „Wir müssen diese Unternehmen sehr ernst nehmen.“ Allerdings sei der Fahrzeugbau auch sehr komplex. Dieses Know-how lasse sich nicht von heute auf morgen aufbauen.

Ferdinand Dudenhöffer können solche Einwände nicht überzeugen. Der Leiter des CAR-Instituts weist darauf hin, dass Apple ja auch seine Handys nicht selbst herstellen, sondern von chinesischen Auftragsfertigern produzieren lässt. Er hält es nicht für ausgeschlossen, dass die Kalifornier bei der Entwicklung eines Wagens sich von Industriedienstleistern wie Bertrandt helfen lassen und die Autos von Auftragsfertigern wie Magna Steyr oder Valmet produzieren lassen, die beispielsweise die A-Klasse und den Geländewagen G-Klasse von Mercedes-Benz herstellen.

Daimler-Chef Zetsche beobachtet den Erfolg von Tesla

Daimler-Chef Dieter Zetsche weist solche Überlegungen zurück: „Man kann sicher viel von Zulieferern kaufen, man kann sich auch ein ganzes Auto entwickeln lassen, räumt Zetsche ein. Erstaunlich sei jedoch, dass trotz dieser Möglichkeiten beispielsweise chinesische Zulieferer den großen Schritt auf den Weltmarkt noch nicht geschafft haben. Das Premiumsegment sei dabei noch herausfordernder, so Zetsche, denn hier gehe es um „die maximale Verfeinerung dieser Kochrezepte“.

Im Premiumbereich spiele die Marke eine riesengroße Rolle. Apple und Google seien zwar exzellente Marken, die aber für andere Dinge stünden. Zudem bleibe auch abzuwarten, ob der Erfolg von Tesla nachhaltig sei und der Schritt von bescheidenen Stückzahlen zum Massenmarkt gelinge. „Das ist sicher eine interessante Studie, die wir alle live erleben werden – Ausgang offen“, sagt Zetsche und lacht. „In Summe sind die Eintrittshürden für neue Wettbewerber doch relativ hoch“, meint der Daimler-Chef.

Volvo testet vernetzte Autos

Der schwedische Autobauer Volvo will in diesem Jahr eine Testflotte aus 1000 vernetzten Autos auf die Straße bringen. Die Fahrzeuge sollen Daten sowohl unter einander als auch mit Behörden austauschen.


Bei den Tests geht es um Verkehrsinformationen wie etwa Glatteis, Staus oder Unfälle. Die Daten würden anonymisiert übermittelt, teilte Volvo mit.