Vier Wohnungsbaugenossenschaften haben in einem Brief massive Kritik an der Stadt geäußert. Sie sehen sich bei der Erhöhung der Sozialwohnungsquote auf städtischen Grundstücken gegenüber anderen Bauträgern benachteiligt.

Stuttgart - Die erklärte Absicht der Stadt, den Anteil des geförderten Wohnungsbaus in der Stadt zu erhöhen, stößt bei den Stuttgarter Wohnungsbaugenossenschaften auf erhebliche Vorbehalte. Sie sehen sich einseitig benachteiligt und fühlen sich vom renditeorientierten, frei finanzierten Wohnungsbau ausgeschlossen. In einem Schreiben an Liegenschaftsbürgermeister Michael Föll (CDU) und die Gemeinderatsfraktionen, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt, haben vier Genossenschaften damit gedroht, das von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) eingerichtete „Bündnis für Wohnen“ zu verlassen.

 

Auslöser des Protests ist eine Beschlussvorlage der Verwaltung, über die der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen am 27. November öffentlich beraten und die am 3. Dezember vom Gemeinderat beschlossen werden soll. Darin schlägt OB Kuhn vor, auf insgesamt sechs städtischen Baugebieten – darunter auch im Neckarpark – den Anteil der Sozialwohnungen auf 60 Prozent zu erhöhen, der Wohnungsanteil für mittlere Einkommensbezieher soll auf 20 Prozent steigen. Die verbleibenden 20 Prozent stünden dann für den frei finanzierten Miet- und Eigentumswohnungsbau zur Verfügung, bei dem Baugemeinschaften oder die städtische Wohnbautochter SWSG zum Zuge kämen.

Wohnungsbaugenossenschaften vermissen etliche Punkte

Nach dem Vorschlag Kuhns soll zur Sicherstellung der städtebaulichen Qualität bei der Vergabe das vom Gemeinderat beschlossene sogenannte Konzeptverfahren angewendet werden. Das heißt, dass die Stadt die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau klar definiert. Die Genossenschaften monieren auch diesen Punkt, weil er das Bauen verteure. Besagte Punkte seien in Gesprächen mit Bürgermeister Föll anders verabredet worden. „Mit Verwunderung und Befremden“ habe man daher die aktuelle Beschlussvorlage zur Kenntnis genommen, heißt es in dem Brief.

Bei den Fraktionen im Rathaus hat der Brief Eindruck hinterlassen. „Ich bin fassungslos, wie die Stadt mit den Genossenschaften umgeht, die seit Jahrzehnten ihre soziale Wohnungspolitik unter Beweis stellen. Wenn die Verwaltungsspitze so weitermacht, fährt sie das Bündnis für Wohnen an die Wand“, so SPD-Fraktionschef Martin Körner. AfD-Sprecher Bernd Klingler kritisiert wie SPD-Fraktionschef Körner, die Verwaltung habe suggeriert, dass die Vorlage in Übereinkunft mit den Wohnungsbaugenossenschaften erarbeitet worden sei. Auch die CDU zeigt sich irritiert: „Wir waren über das Schreiben der Wohnungsbaugenossenschaften sehr überrascht, da es doch große Differenzen offenbart“, sagt Vizefraktionschef Philipp Hill. Die Grünen fordern eine Sitzung des Unterausschusses Wohnen, bei dem die Vorwürfe „hoffentlich ausgeräumt werden“, so Stadträtin Silvia Fischer. Die Zusammenarbeit mit den genossenschaftlichen Bauträgern dürfe nicht gefährdet werden. Linke-Stadtrat Thomas Adler wertete das Zerwürfnis als Beleg für seine Forderung, solche Gespräche künftig nicht hinter verschlossenen Türen zu führen. Bürgermeister Föll sagte: „Es entspricht nicht meinem Stil, jemanden über den Tisch zu ziehen.“ Er habe sich mit den Baugenossenschaften auf der Grundlage der Vorlage einig gewähnt. Die offenbar entstandenen „Missverständnisse“ will er in einem erneuten Gespräch thematisieren. Bis dahin könne ein Beschluss des Gemeinderats zurückgestellt werden.