An der Uni Hohenheim wurde darüber diskutiert, wie die Risiken der grünen Gentechnik zu bewerten sind. Anlass war eine umstrittene französische Studie über angebliche Krebsrisiken beim Verzehr von gentechnisch verändertem Mais.

Stuttgart - Stephan Dabbert, Rektor der Uni Hohenheim, hat sich genau überlegt, ob er das Grußwort bei der Tagung „Sicherheitsforschung im Agrarbereich“ spricht. Schließlich sollten Sicherheit und Risiko am Beispiel der umstrittenen Studie des französischen Forschers Gilles-Eric Séralini von der Universität Caen diskutiert werden, der auch als einer der Hauptredner eingeladen war. Séralini wird vorgeworfen, Daten nicht offenzulegen, die nach seinen Angaben beweisen sollten, dass gentechnisch veränderter Mais bei Ratten Tumore auslöst. Zudem werden das Studiendesign und die angewandte Statistik kritisiert. Diesen Forscher wollte so mancher Wissenschaftler an der Uni Hohenheim nicht sehen. Auch von außen kam Kritik an der von Studenten und externen Veranstaltern organisierten Tagung, zu der sich vor allem Gentechnikgegner trafen.

 

„Die Universität und die Studierenden wurden kritisiert, dass sie einem Forscher eine Plattform bieten, dessen Studie von anderen Wissenschaftlern als methodisch unzureichend angesehen wird“, sagte Dabbert bei seinem Grußwort. Doch genau darum gehe es an einer Universität. Schließlich sei es die Aufgabe eines Studierenden, sich für wissenschaftliche Artikel zu interessieren und sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Und dies bedeute, dass man einen Fachartikel gründlich lese und beurteile, die Methodik, Statistik und die Zulässigkeit der gezogenen Schlussfolgerungen kritisch beleuchte. Dieser Austausch finde normalerweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Seminaren statt, sagte Dabbert. Eine solche Tagung trage diese wissenschaftliche Diskussion in die Öffentlichkeit. Und er lobte die Hohenheimer Studenten für ihr wissenschaftliches Engagement – schließlich seien Studenten das Aushängeschild einer Universität.

Gilles-Eric Séralini verteidigt seine Forschung

Der französische Genforscher Gilles-Eric Séralini verteidigte in Hohenheim seine Forschung. Unaufgeregt erklärte er, dass er sich für eine Statistik entschieden habe, die zwar nicht für eine geringe Versuchstierzahl geeignet sei, dafür aber für die Analyse einer großen Menge biochemischer Daten – und diese habe er gehabt. Allerdings legt Séralini diese bis heute nicht bis ins letzte Detail vor. Und an diesem Punkt wurde es etwas turbulenter im Saal des Hohenheimer Euroforums. Es entspreche, so war von einem aus Tübingen angereisten Max-Planck-Forscher zu hören, keineswegs gängiger wissenschaftlicher Praxis, Daten unter Verschluss zu halten. Wissenschaftler, die bei Séralini wegen der Daten angefragt hatten, seien von ihm ignoriert worden – so die Schilderung aus dem Publikum. Séralini meinte dazu nur lapidar: „Die Rohdaten sind bei einem Notar hinterlegt.“ Dafür fehlt allerdings manch einem Wissenschaftler das Verständnis.

„Ist es ethisch vertretbar, Daten zurückzuhalten, welche die Bedenklichkeit von gentechnisch verändertem Mais und die davon ausgehenden Risiken beweisen?“, fragte daher auch Klaus-Dieter Jany, der von den Organisatoren eingeladen worden war, um die Kritikpunkte an der französischen Studie vorzutragen. Jany, ehemals Leiter des Molekularbiologischen Zentrums an der Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Karlsruhe, erklärte, dass 37 staatliche Behörden oder wissenschaftliche Vereinigungen die Studie bewertet hätten und zum Schluss kamen, dass aufgrund dieser Datenlage eine Risikobewertung des gentechnisch veränderten Maises nicht möglich sei.

„Ergebnisgetriebene Bewertung“

Die Bewertung der Studie sei „ergebnisgetrieben“, erklärte Angelika Hilbeck. Die Agrarwissenschaftlerin, die in Hohenheim studiert hat und nun einen Lehrstuhl an der E TH Zürich hat, fordert gleiches Recht für alle: „Wendet man die Kriterien, die für Séralinis Studie gelten, auf andere wissenschaftliche Untersuchungen an, wird man sich wundern.“ Auch Studien, die bei der für Lebensmittelsicherheit zuständigen EU-Behörde Efsa beispielsweise von dem führenden Gentech-Konzern Monsanto eingereicht wurden, würden demnach einer Überprüfung kaum standhalten. Die Monsanto-Wissenschaftler würden in ihren Versuchen denselben Rattenstamm wie Séralini verwenden – ein durchaus üblicher Tierstamm in dieser Art von Untersuchung. Zudem sei die Zahl der Kontroll- und Versuchstiere vergleichbar. Lege man die Messlatte, die bei Séralini angelegt wurde, auch bei anderen Studie an, gebe es keine vernünftige Studie mehr, die eine Risikoabschätzung zulasse. „Warum werden die Monsanto-Studien nicht mit der gleichen Elle gemessen? Was ist der Standard?“, fragt die Agrarökologin, die zudem Präsidentin von ENSSER ist, einem Netzwerk europäischer Wissenschaftler. Es müsse im Bereich der grünen Gentechnik eine klare, offene Diskussion geben.

Gleichzeitig kritisiert die Ökologin die gängigen Zulassungsverfahren als unzureichend für eine zuverlässige, wissenschaftliche Risikoabschätzung. Es reiche nicht, eine gentechnisch veränderte Pflanze wie eine Chemikalie zu prüfen. Toxikologische Parameter aus kurzfristigen Labortests könnten nicht für ein komplexes lebendes Ökosystem herangezogen werden. Zudem gebe es keine Untersuchung zu Langzeitauswirkungen. Unklar sei außerdem, wie tief und irreversibel gentechnisch veränderte Pflanzen in die Evolution eingriffen und wie hoch ihre gesundheitlichen und ökologischen Risiken seien. „Man ist sich bisher nicht einmal im Klaren, mit welchen Methoden Risiken abgeschätzt werden können“, kritisiert sie abschließend.

Erbitterte Kritik an Séralinis Studie

Die erschütternden Fotos der Versuchstiere waren sehr medienwirksam: Ratten mit Tumoren, so groß wie Tischtennisbälle, wirkten Grauen erregend. So ginge es Tieren, wenn sie gentechnisch verändertes Futter bekämen, war die Botschaft aus dem Fernsehen. Eine Studie des französischen Genforschers Gilles-Eric Séralini beweise, so behauptete der Wissenschaftler selbst, dass Ratten früher an Krebs erkrankten und starben, wenn sie gentechnisch veränderten Mais fraßen. Das Medienecho war entsprechend hoch, Gentechnikgegner sahen sich bestätigt.

Bei genauer wissenschaftlicher Betrachtung tauchten jedoch recht schnell Zweifel an der Studie auf, denn wissenschaftliche Standards waren nicht eingehalten worden: Fachkollegen warfen ihm vor, in dem zweijährigen Versuch viel zu wenig Versuchstiere untersucht zu haben. Zudem hatte er einen Rattenstamm verwendet, der von Natur aus sehr krebsanfällig ist. Außerdem, so die Kritik aus Fachkreisen, sei die Statistik angreifbar. Und schließlich fehlten beträchtliche Teile der Studie in der Veröffentlichung Séralinis im Fachjournal „Food and Chemical Toxicology“, so dass die Arbeit von der Fachwelt nicht nachvollzogen werden konnte.

„Schwere handwerkliche Mängel“

So kam auch die für Lebensmittelsicherheit zuständige EU-Behörde Efsa zu dem Schluss, dass aus der Studie Séralinis keine aussagekräftigen Schlussfolgerungen über das Krebsrisiko durch Gen-Mais gezogen werden können (die StZ) berichtete). Die Efsa-Wissenschaftler sahen schwere handwerkliche Mängel und Datenlücken. Auch das in Deutschland zuständige Robert-Koch-Institut erklärte, „dass die Hauptaussagen der Veröffentlichung experimentell nicht ausreichend belegt sind und zudem aufgrund der Unzulänglichkeiten des Studiendesigns sowie der Art der Präsentation und Interpretation der Daten wesentliche Schlussfolgerungen der Autoren nicht nachvollziehbar sind“.

Séralini hat mit dieser Studie und seinem angreifbaren Umgang mit der Öffentlichkeit den seriösen Gentechnikgegnern einen Bärendienst erwiesen, wie deutsche Wissenschaftler betonten. Tatsächlich war der Umgang des französischen Forschers mit den Medien sehr ungewöhnlich: Die Nachricht des todbringenden Gen-Maises präsentierte er auf einer von ihm anberaumten Pressekonferenz. Einige Medien hatten die Studie vorab bekommen, doch sie mussten versichern, mit keinem Wissenschaftler darüber zu reden. Das ist nicht üblich. Normalerweise erhalten Wissenschaftsjournalisten Fachstudien mit einer Sperrfrist versehen vorher, eben damit sie mit unabhängigen Wissenschaftlern darüber sprechen und die Forschungsarbeiten einschätzen können.