Die grüne Gentechnik hat die Züchtung der Zierpflanzen erreicht. In einer Stuttgarter Firma werden Pflanzen gegen Trockenheit resistent gemacht – allerdings bleiben diese im Gewächshaus. Denn die transgenen Pflanzen bergen ein Restrisiko.

Stuttgart - Das Gewächshaus könnte Teil eines großen Baumarktes sein. Sechs lange Reihen von Blumenampeln stehen auf dem Boden, ein feucht-warmer Geruch liegt in der Luft. Lilafarbene, rote und weiße Petunien blühen in den Töpfen. Nur das Schild mit der Aufschrift „S1“ an der Tür zum Treibhaus ist ungewöhnlich: das S steht für Schutzstufe, die 1 bezeichnet die niedrigste biologische Sicherheitsstufe. Bei näherer Betrachtung sehen auch manche der Pflanzen etwas mitgenommen aus: erste Blätter welken, einige Blüten lassen den Kopf hängen. Hier findet ein Langzeitexperiment statt. Die Petunien werden geprüft, wie sie über einen längeren Zeitraum mit Trockenheit umgehen können. „Wir leben in einer mobilen Gesellschaft. Die Verbraucher wollen pflegeleichtere Pflanzen“, sagt Robert Boehm, Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Ornamental Bioscience. Die Stuttgarter Firma züchtet Zierpflanzen und versucht, dem mobilen Kunden entgegenzukommen. Es werden nicht nur buntere und gut duftende Blumen gezüchtet. Was für Mais und Soja schon lange möglich ist, soll auch für Zierpflanzen funktionieren: sie sollen weniger empfindlich werden gegenüber Trockenheit, Kälte oder Schädlingen. Manche der gezüchteten Petunien aus dem Stuttgarter Versuchsgewächshaus stecken bis zu zwei Wochen Trockenheit weg, ohne die Blätter hängen zu lassen.

 

Es dauert seine Zeit, bis Pflanzen derart optimierte Eigenschaften aufweisen. Klassische Züchtung ist langwierig, sie funktioniert, wie die natürliche Evolution, nach dem Zufallsprinzip. Ob eine bestimmte Eigenschaft letztendlich in der gewünschten Qualität vorhanden ist, lässt sich nicht garantieren. Die Petunien aus dem Labor von Robert Boehm werden daher gezielt verändert: Erbinformationen einer anderen Art werden in die Pflanzen eingeschleust – es entstehen transgene Petunien. Als Lieferant für die neuen Gene dient Arabidopsis thaliana, die Ackerschmalwand. Wissenschaftler untersuchen diese Pflanze seit Jahrzehnten, das Genom des sogenannten genetischen Modellorganismus ist vollständig entschlüsselt. Im Stuttgarter Labor wachsen die neu geschaffenen Pflänzchen dann auf einem Nährmedium in handelsüblichen Marmeladegläsern heran. Wie im Vorratskeller steht ein Glas neben dem anderen. Statt Erdbeer- und Aprikosenmarmelade enthalten sie Petunienpflänzchen – alle mit verschiedenen kurzen Abschnitten aus dem Genom der Ackerschmalwand aufgerüstet. „Der transgene Ansatz ist, was die Qualität des Produktes angeht, weit überlegen“, sagt Robert Boehm.Um die tatsächlichen Eigenschaften oder die „Performance“, wie der Züchter sagt, zu überprüfen, müssen die Blumen im S1-Gewächshaus aber erst zu ausgewachsenen Pflanzen herangezogen werden. Die Petunientöpfe, die in den ersten beiden Reihen stehen, werden während des Experiments einmal pro Woche gegossen. Die Pflanzen in der Mitte werden zum Vergleich ganz normal, im Abstand von wenigen Tagen bewässert. Die letzten zwei Reihen haben das schwerste Los: nur jede zweite Woche kommt der Gärtner mit der Gießkanne. Manche dieser Pflanzen sind schon arg mitgenommen, andere scheinen gut mit dem Trockenstress zurecht zu kommen. Hier zeigt sich, wo eine vielversprechende Neukombination von Erbinformationen stattgefunden hat.

Wassersparende Zimmerpflanzen hören sich praktisch an. Doch die Züchtungen aus dem molekularbiologischen Labor werden bis auf weiteres nicht im Blumenladen um die Ecke stehen. Zum einen liegt das an den Pflanzen selbst, erklärt der Biologe. „Die Übertragbarkeit von Genen ist doch nicht so groß wie gedacht, viele genetische Wechselwirkungen sind einfach noch nicht genau bekannt.“ Sein Fazit: „Andere Pflanzen ticken eben doch anders als die Modellpflanze Arabidopsis.“ Zum anderen sind die Zulassungsprozesse für transgene Pflanzen enorm. Viele Fragen müssen geklärt werden: Gibt es wild lebende Verwandte der Pflanze? Können diese möglicherweise von gentechnisch veränderten Pflanzen bestäubt werden? Freisetzungsexperimente, bei denen wilde und transgene Pflanzen nebeneinander gepflanzt werden, seien in der EU schwierig, so Boehm. „Obwohl es ein sehr geringes Risiko der Vermischung mit wildem Erbgut gibt“, versichert er. „Petunien wildern in Deutschland nicht aus, die Züchtungen bilden ja kaum Samen aus. Ich sehe keine Probleme, dass sie die heimische Flora verändern könnten.“ Und wenn doch – „im schlimmsten Falle hätten wir Wildpflanzen, die etwas trockenstresstoleranter sind.“