Vor 3,5 Milliarden Jahren waren die Ozeane sehr viel lebensfreundlicher als bisher gedacht – es war lange nicht so heiß, wie bisher angenommen wurde.

Stuttgart - Um den Ursprung des Lebens auf der Erde zu verstehen, sollte man die Welt ein wenig kennen, in der die ältesten bisher bekannten Organismen vor 3,48 Milliarden Jahren im heutigen Australien ihre Spuren hinterließen. Das ist aber ein schwieriges Unterfangen, wenn man nicht einmal die damaligen Wassertemperaturen kennt: Zwischen 26 und 85 Grad Celsius sei das Urmeer damals irgendwo zwischen tropisch-warm und beinahe kochend-heiß gewesen, schätzten Geologen bisher. Als Maarten de Wit von der Nelson Mandela Metropolitan Universität im südafrikanischen Port Elisabeth und Harald Furnes von der Universität im norwegischen Bergen jetzt einen Gesteinsgürtel aus dieser Zeit in den Makhonjwa-Bergen Südafrikas analysierten, kamen sie jedoch zu einem deutlich anderen Ergebnis: Ozeane und Luft waren damals recht kühl und wurden nur an einigen Stellen von heißen Flüssigkeiten aus dem Erdinneren kräftig aufgewärmt, berichten die Forscher in der Online-Zeitschrift „Science Advances“.

 

Für die Entstehung des Lebens aber sind das vermutlich viel günstigere Bedingungen als hohe Temperaturen. Zwar existieren auch heute noch einige Organismen, die sich selbst in mehr als hundert Grad heißem, flüssigem Wasser bei hohem Druck am Meeresgrund pudelwohl fühlen. Allerdings betreiben diese Mikroben viel Aufwand, um ihre Biomoleküle vor dem raschen Zerfall bei großer Hitze zu schützen. Vielleicht haben sie sich in kühlerer Umgebung entwickelt und erst später an hohe Temperaturen angepasst, argwöhnen Forscher daher schon längst. Das aber spricht eher für ein kühles Urmeer, dem Maarten de Wit und Harald Furnes jetzt auf die Schliche gekommen sind.

Vulkane am Grund des Urmeeres

2000 bis 4000 Meter unter dem Meeresspiegel waren vor 3,47 Millionen Jahren und damit praktisch exakt in der Zeit der ersten überlieferten Lebensspuren am Grund des Urmeeres drei Vulkane ausgebrochen. In gerade einmal fünf Millionen Jahren hatten neun Ausbruchsphasen damals eine 2700 Meter dicke Basaltschicht hinterlassen. Darin haben die Forscher fünf Meter dicke und mindestens 14 Meter hohe Röhren gefunden, die verblüffend den heißen Quellen ähneln, die auch heute noch am Meeresgrund sprudeln. Mindestens 200 Grad Celsius heißes Wasser strömte damals dort aus dem Untergrund ins Meerwasser, ermitteln Martin de Wit und Harald Furnes aus einer Analyse der Sauerstoffisotope in den Siliziumverbindungen, die sich in den heißen Röhren rasch ablagerten. Diese heißen Quellen aber trafen offensichtlich auf recht kaltes Meerwasser. Das schließen die Forscher aus damals entstandenen Sulfat-Mineralien, die aufs Haar Mineralien ähneln, die heute in den kalten Strömungen aus den Polargebieten und in den Tiefseebecken des Atlantiks entstehen. Obendrein finden sie in den damals weichen Sedimenten sehr viele sogenannter „Dropstones“. Das sind feste Steine, die von oben auf den Meeresboden fielen. Da Steine auch damals auf dem Meerwasser nicht von allein schwammen, könnten sie zum Beispiel von Vulkanausbrüchen dorthin geschleudert worden sein. Diesen Prozess aber können die Forscher bei ihren Funden ausschließen. Auch auf Holzstücken können damals kaum Steine auf dem Meer geschwommen und dann ins Wasser gekippt sein, weil damals nur einzellige Organismen lebten, die kein Holz produzierten. Als Erklärung bleiben eigentlich nur Steine, die auf einer Eisschicht auf dem Wasser oder auf Eisbergen lagen und beim Schmelzen schließlich in die Tiefe taumelten.

Dieser Prozess aber passt kaum zu einem mindestens 26 Grad warmen Wasser, wie es bisher vermutet wurde, argwöhnen die Forscher. Schließlich zeigen ihre Magnetfeldanalysen, dass sich das Gebiet damals in Breiten zwischen dem 20. und dem 40. Breitengrad befand. In diesen subtropischen Gefilden aber kühlt auch im Winter 26 Grad warmes Sommerwasser kaum bis zum Gefrierpunkt ab. Auch treiben keine Eisberge aus dem hohen Norden oder Süden bis in diese Regionen. Das Ur-Meer muss damals also weltweit eher kühl als warm gewesen sein. Damit aber weisen die Forscher auch noch die ältesten bisher gefundenen Ablagerungen von Gletschern und Meereis nach.

Astrophysiker wundern sich über diese niedrigen Temperaturen kaum. Nach ihren Berechnungen lieferte die Sonne damals 23 Prozent weniger Energie als heute zur Erde. Enorme Mengen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid und Wasserdampf hätten die Temperaturen in die bisher angenommenen Höhen getrieben, vermuteten Klimaforscher daher. Einen erheblichen Teil dieser Wärmerückgewinnung machen die neuen Analysen daher überflüssig. Und sie platzieren die Wiege des Lebens in deutlich angenehmere Temperaturen als bisher angenommen.