Unter dem Yellowstone-Nationalpark in den USA lagern gigantische Mengen an Magma – verteilt in zwei riesige Kammern, wie erst jetzt herausgefunden wurde. Sie werden offenbar aus großer Tiefe mit heißem Gestein versorgt, aus dem große Mengen an Gas freigesetzt werden.

Stuttgart - Im ältesten Nationalpark der Welt stapfen mächtige Büffel über eine weite Grasfläche langsam auf die Bergkette am Horizont zu. „Man sieht fast gar nicht, dass man in einem gigantischen Vulkan steht, der in den letzten beiden Jahrmillionen dreimal große Teile Nordamerikas verwüstet hat“, erinnert sich Jörg Geldmacher vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Geomar) in Kiel an seinen Besuch im Yellowstone-Gebiet in den USA. Dabei untersucht der Geologe sogenannte Hotspots, von denen einer unter dem Yellowstone heißes Material aus den Tiefen des Erdmantels nach oben schiebt und damit den gewaltigen Supervulkan speist.

 

Tatsächlich blubbern überall zwischen den Bisons vulkanische Gase aus heißen Quellen in die Luft und erinnern so an das glutheiße Gestein nur wenige tausend Meter unter dem Grasland. Dort strömen jeden Tag 45 000 Tonnen Kohlendioxid aus dem Boden. Das aber ist viel mehr, als die gigantische Magmakammer liefern kann, die Geoforscher bisher unter dem Yellowstone-Gebiet kannten. Mit Hilfe von Erdbebenwellen lösen jetzt Hsin-Hua Huang von der University of Utah im US-amerikanischen Salt Lake City und seine Kollegen im Fachblatt „Science“ das Rätsel: Unter der ersten Magmakammer gibt es ein zweites Reservoir mit extrem heißem Gestein, aus dem ebenfalls Vulkangase aufsteigen.

Erdbebenwellen geben Einblick in den Untergrund

Die US-Forscher haben für ihre Untersuchung erstmals zwei altbekannte Methoden miteinander kombiniert, mit denen Geoforscher das Erdinnere durchleuchten. Zum einen bebt unter einem aktiven Vulkan wie dem Yellowstone immer wieder die Erde. Dabei laufen Wellen mit einer bestimmten Geschwindigkeit durch das Gestein, die an heißeren Stellen im Untergrund deutlich abgebremst werden. Diese langsameren Wellen zeigen eine gigantische, mehr als 70 Kilometer lange und 30 Kilometer breite heiße Zone in einer Tiefe zwischen fünf und 14 Kilometern unter dem Riesenkrater an, den der letzte große Ausbruch vor 640 000 Jahren hinterlassen hat. Dort unten liegt also eine riesige Blase mit heißem Gestein, die den Vulkan füttert.

Allerdings enthält diese Magmakammer keineswegs nur glutflüssiges Gestein, sondern ist eher ein heißer Schwamm, in dessen Poren das flüssige Magma lagert. Rund zehntausend Kubikkilometer fasst diese Magmakammer, etwa 900 Kubikkilometer davon sind flüssig, schließen die US-Forscher aus den Erdbebenwellen. Nur ist diese Menge eben viel zu klein, um jeden Tag 45 000 Tonnen Kohlendioxid aus dem Untergrund blubbern zu lassen. Gibt es also vielleicht in größerer Tiefe ein weiteres Magma-Reservoir, aus dem weitere Vulkangase aufsteigen? Die Erdbebenwellen aus der Yellowstone-Region können diese Frage kaum beantworten: Sie produzieren mit der Tiefe immer unschärfere Bilder, unterhalb der bekannten Magmakammer „sehen“ sie praktisch nichts mehr.

Heiße Gesteinsmasse steigt aus der Tiefe empor

Die Wellen starker Erdbeben weit außerhalb der Vulkanregion liefern dagegen mit der zweiten Methode, der seismischen Tomografie, Eindrücke aus erheblich größeren Tiefen. Dort unten steigt im Erdmantel heißes Gestein auf, das ähnlich wie Knetgummi zwar fest ist, sich aber durchaus verformen lässt. Es kommt möglicherweise aus einer Tiefe von 2900 Kilometern und damit von der Grenze zwischen dem festen Erdmantel und dem flüssigen äußeren Erdkern, der 3000 bis 5000 Grad heiß ist. Diese langsam aufsteigende, heiße Masse hat einen Durchmesser von vielleicht 80 Kilometern und wird von Geoforschern Hotspot genannt. „Geoforscher nehmen an, dass weltweit mindestens sieben solcher Hotspots Material aus sehr großen Tiefen fördern“, erklärt Jörg Geldmacher. Sie liefern zum Beispiel unter Hawaii, Island und der Osterinsel Nachschub für häufige Vulkanausbrüche. Ein weiterer dieser Hotspots quillt aus großer Tiefe unter dem Yellowstone-Supervulkan bis in rund 60 Kilometer Tiefe auf.

Bisher rätselten die Forscher allerdings, wie denn das heiße Gestein von dort den Weg in die immerhin noch mehr als 40 Kilometer höher liegende Magmakammer findet. Erst mit einer Kombination der beiden Erdbebenwellen-Untersuchungsmethoden für die oberen und die unteren Schichten im Erdinneren fanden die US-Forscher dann ein weiteres Magma-Reservoir in einer Tiefe zwischen 19 und 45 Kilometern, das 71 Kilometer lang und 48 Kilometer breit ist. Darin lagern 46 000 Kubikkilometer heißes Gestein. Gleichmäßig auf die Fläche des Saarlands verteilt, würde sich dieses Material dort mit 18 Kilometern bis in Höhen stapeln, die ein Verkehrsflugzeug nicht mehr erreicht. Zwar sind nach Schätzungen der US-Forscher nur zwei Prozent davon geschmolzen, was aber immer noch für einen 350 Meter hohen Lavasee über dem Saarland reichen würde.

Gigantische Vulkanexplosionen in der Vergangenheit

Gefüttert wird diese Magmakammer vom Hotspot: Beim Aufsteigen verringert sich der Druck, das heiße Gestein schmilzt teilweise und wird als Magma durch Spalten langsam nach oben gedrückt. Im unteren Reservoir kühlt die Schmelze ab, erste Minerale kristallisieren aus, gleichzeitig wird Gas frei. Übrig bleibt Magma, das erheblich mehr Silizium enthält und dadurch deutlich zähflüssiger wird. Beim weiteren Aufstieg in die obere Kammer verringert sich der Druck weiter, dadurch tritt weiteres Gas aus. „Ähnlich wie aus Honig kommen aus dieser zähen Masse Gase nur langsam heraus“, erklärt Geomar-Forscher Jörg Geldmacher. Deshalb können solche Vulkane mit viel Silizium im Magma sehr explosiv sein, wenn der Druck bei einer Eruption plötzlich stark fällt.

Tatsächlich kennen Geoforscher mehr als drei Dutzend gigantischer Vulkanexplosionen in den vergangenen Jahrmillionen aus dem Yellowstone-Gebiet. Vor 2,1 Millionen Jahren schleuderte der Supervulkan in einer gewaltigen Eruption 2500 Kubikkilometer Lava und Asche in die Luft und verwüstete weite Teile Nordamerikas. Das dabei ausgeschleuderte Material entspricht einer Gesteinsschicht, die sich knapp drei Kilometer hoch über der 892 Quadratkilometer großen Fläche von Berlin stapeln würde. Vor 1,3 Millionen Jahren waren es 280 Kubikkilometer und beim letzten Ausbruch vor 640 000 Jahre noch einmal tausend Kubikkilometer.

Kein Grund zur Panik

Vor solchen Eruptionen strömt vermehrt Magma in die obere Kammer, die sich daher nach oben wölbt. An ihren Rändern bilden sich dabei Risse im Gestein, durch die später Magma nach oben steigt, sobald der Druck in der Kammer zu groß wird. Die Eruption beginnt also ringförmig über den Rändern der Magmakammer. Der schwere Deckel aus festem Gestein über der sich leerenden Kammer bricht während der Eruption in die Tiefe, während gleichzeitig Magma bis in Höhen von 50 Kilometern geschleudert wird. Nach der Eruption bleibt daher nicht etwa ein Vulkankegel zurück, sondern ein gigantisches Loch, das Vulkanologen „Caldera“ nennen. In dieser Yellowstone-Caldera aber weiden heute die Bisons des Nationalparks – und ahnen nichts von der gefährlichen Magmakammer in der Tiefe. Für Panik gibt es auch keinen Grund. Supervulkan-Spezialist Robert Smith von der University of Utah jedenfalls schätzt die Wahrscheinlichkeit für eine große Eruption im Laufe eines Jahres auf ungefähr eins zu 700 000.