Friedrich Christian Delius erhält den Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Wer ist der Autor?  

Darmstadt - Über Friedrich Christian Delius kann man nicht sprechen, ohne seine Unbestechlichkeit im Urteil, die Entschiedenheit seiner literarischen Fasson und seine Noblesse im Streit zu erwähnen. Auf Podien brilliert er mit präzis durchdachten Sätzen, wie nebenbei, leise, doch schnell. Für ihn bleibt Widerspruch die normale Umgangsform - ein freier Geist, niemandem verbunden als sich selbst. Aber erst in seinem literarischen Werk, das gut dreißig Titel umfasst, lässt sich erkennen, mit welch kritischer Beharrlichkeit Delius sich seiner Gegenwart und deren Ursprüngen stellt. Das ist selbst für die 68er-Generation bemerkenswert.

 

Der 1943 in Rom geborene und in der hessischen Provinz aufgewachsene Pastorensohn studiert in den Sechzigern in Berlin, promoviert zum Thema "Der Held und sein Wetter" und ist als Mitbegründer des Rotbuch Verlages mitten im Schwarm des alternativen Denkens. Aber immer zeigt er sich als Selbstdenker im Lessing'schen Sinne. Seine frühen literarischen Einlassungen, besonders seine Lyrik und die Festschrift "Unsere Siemens-Welt" (1972) prägen ein Bild vom politischen Schriftsteller. Aber auch wenn Delius weiter unermüdlich in den Romanen "Ein Held der inneren Sicherheit", "Adenauerplatz" und "Mogadischu Fensterplatz" mit der Gegenwart abrechnen wird, treten die Auslöser für das Schreiben zunehmend hinter einer literarischen Gestaltung zurück. Nirgends finden sich Vereinfachungen durch politische oder gar moralische Sinnprogramme.

Bestes Buch: autobiografische Erzählung

Spätestens mit den Erzählungen "Die Birnen von Ribbeck" (1991), "Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde" (1994) und "Der Spaziergang von Rostock nach Syrakus" (1995) befreit sich Delius vom politischen Wetter. Hier wirkt jedes Buch wie ein Gegenstück zu einem anderen. Delius gehört fortan zu den großen Erzählern seiner Generation. Mit der Erzählung "Die Flatterzunge" (1999), den Romanen "Der Königsmacher" (2001) und "Mein Jahr als Mörder" (2004) werden die literarischen Überschüsse beträchtlich. Die Bewertung anderen Lebens liegt dabei in sorgsamen Händen. Delius ist nicht geneigt, den leichtesten Weg einzuschlagen, auch wenn die Schwelle überschritten wird, an der das klärende Denken zu Ende ist

Die Erzählung "Bildnis der Mutter als junge Frau" (2006) kann, ungeachtet aller autobiografischen Einschlüsse, als sein gelungenstes Buch gelten. Eine hochschwangere deutsche Frau lebt 1943 in Rom, ihr Mann, eben noch evangelischer Pfarrer in Rom, wurde zu Rommels Afrika-Corps eingezogen. In der Welt des Krieges sich allein zurechtzufinden übersteigt die Möglichkeiten der jungen Frau. Mit ihrem christlichen Glauben will sie die erwählten Gewissheiten bewahren und weiß doch nicht, wie das in gottvergessener Zeit gelingen soll. Ein Altachtundsechziger ist hier seinen Eltern, die zu den Stillen im Lande gehörten, sehr nah gekommen. Und alles ohne Schlagwort und Attitüde - ein kleines Meisterstück.

Der deutsche Erfinder des Computers

Eine andere Kompositionshöhe hat der Roman "Die Frau, für die ich den Computer erfand" (2009). Im Mittelpunkt steht Konrad Zuse, der lang übersehene deutsche Erfinder des Computers. Ein Ernstfall für Belletristen, denn ohne die mathematische Dimension sind Innovation und Konflikt kaum zu fassen. Seit 1942 baut Zuse seine Rechner in einem kleinen Ingenieurbüro und wird glücklicherweise als "nicht kriegswichtig" eingestuft. Unvorstellbar, Albert Speer hätte die Raketentechnik des Wernher von Braun mit Zuses präzisen Rechnern zusammengeführt.

Erstaunlicherweise wurde dieser Erzähler von den Juroren großer Literaturpreise bisher etwas vernachlässigt. Der Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung kann nur als angemessen bewertet werden. Hier wird nicht nur in ein großer Stilist, sondern auch ein literarischer Charakter geehrt.