„Preußen ist nicht so böse, wie viele denken“, sagt Georg Friedrich Prinz von Preußen, der Ururenkel des letzten deutschen Kaisers. Er hat allerdings ganz andere als politische Ambitionen.

Hechingen - Wären die Zeiten der Monarchie nicht vorbei, hätte Georg Friedrich von Preußen Anspruch auf den Thron. Doch der Ururenkel des letzten deutschen Kaisers will von politischen Ämtern nichts wissen. Er sieht sich als Repräsentant des Hauses Hohenzollern und ist begeisterter Familienvater. Vier Kinder, darunter Zwillinge halten ihn auf Trab.

 
Prinz von Preußen, wann haben Sie das letzte Mal Windeln gewechselt?
Vor zweieinhalb Stunden, meine Frau und ich teilen uns das auf. Gerne packe ich, wenn ich zuhause bin, mit an, ich kümmere mich um die Kleinen, gehe einkaufen.
Sie sind zwar Hausherr auf Hohenzollern, aber wohnen mit ihrer Familie im Norden.
Wir leben auf dem Dorf, in Fischerhude bei Bremen, wo ich groß geworden bin. Das ist extrem ländlich mit Blick auf die Wümmewiesen. Beruflich verbringe ich viel Zeit in Berlin, von dort aus kümmere ich mich auch um die administrativen Angelegenheiten meines Hauses.
Und zwischendurch machen Sie immer wieder Abstecher auf Ihre Stammburg?
Alle zwei Wochen zieht es mich hierher, um nach dem Rechten zu schauen. Der Burgbetrieb ist in den letzten zehn Jahren stark gewachsen. Machmal komme ich mit der ganzen Familie – so wie dieses Mal. Wir feierten die Taufe unseres Jüngsten. Die Burg ist allerdings nicht so bequem und luxuriös, wie es sich viele ausmalen. Der Wohntrakt hat eher Jugendherbergscharakter.
(Der Prinz lächelt charmant. Wir sitzen bei Kaiserwetter und Kaffee auf einer kleinen Aussichtsterrasse auf Hohenzollern. Auf dem Burgturm weht die schwarz-weiße Preußenfahne als Zeichen, dass der Hausherr da ist. Der Adelige bleibt unerkannt im Touristentrubel, auf dem Gelände dreht sich keiner nach ihm um.)
Erinnern Sie sich an Ihre Kindheitstage auf Hohenzollern?
Das weiß ich noch genau. Wir lieferten uns Schwertkämpfe in der Waffenkammer und warfen im Winter durch Schießscharten Schneebälle auf die Pendelbusse. Meine Mutter ist oft mit uns hergekommen. Meinen Vater habe ich leider früh verloren. Er war angehender Leutnant der Reserve, wurde bei einem Manöverunfall mit einem Panzer schwer verwundet und ist kurz darauf gestorben. Da war ich ein Jahr alt. Ich vermisse ihn oft. Umso mehr freue ich mich jetzt, für meine Kinder als Vater da zu sein. Da nehme ich auch wenig Schlaf in Kauf.
Wie aufwendig ist es, die Burg zu erhalten?
Hohenzollern ist eine Herausforderung, das ist klar. Die Anlage soll weder ein staubiges Museum noch ein Preußen-Disneyland sein. Wir haben 300 000 Besucher im Jahr, etliche Gäste aus Amerika, Asien und aus vielen Teilen Europas. Wir sind eines der wenigen Privatmuseen in dieser Größenordnung, das es schafft, sich aus sich selbst heraus zu erhalten.
Sie sind Verwalter einer Dauerbaustelle. Da bröselt es doch ständig irgendwo?
Das stimmt. Wir werden die Anlage in den nächsten zehn Jahren grundsanieren. Das geht in diesem Jahr los. Da müssen viele hundert Tonnen Material bewegt werden, alles in Absprache mit dem Denkmalamt. Wir arbeiten zunächst an den Grundmauern, dann soll die Auffahrt folgen. Wenn möglich, werden wir mit dem gleichen Stein sanieren, mit dem die Burg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebaut wurde: gelber Angulatensandstein. Doch der ist rar. Wir sind im fürstlichen Wald bei Grosselfingen fündig geworden. Ob da genügend liegt, wissen wir nicht.
Immerhin lässt sich die Location gut vermarkten. Im Thriller „Cure for Wellness“ wurde sie neulich schaurig in Szene gesetzt.
Hohenzollern war schon oft im Film zu sehen. Stanley Kubrick hat schon bei uns gedreht. In der britischen Fantasy-Kinderserie „The worst witch“, die 2017 auch im ZDF gezeigt wird, ist die Burg eine Art Hogwarts für junge Hexen. Bei den Dreharbeiten zu „Cure for Wellness“ durfte ich zuschauen, das war spannend. Einen Tag nach dem Europafilmstart kam schon das erste Ehepaar aus Frankreich vorbei, um sich den Originalschauplatz anzuschauen.
Wurde Ihnen eine Rolle angeboten?
Wenn ich mich darum gerissen hätte, hätte ich sicherlich einen Bademantel bekommen, um einen Patienten im Luxus-Spa zu spielen. Aber soweit ging mein Verlangen dann doch nicht.
(Fast wilhelminisch-üppig trägt der Prinz seinen Bart. Trotz der steigenden Temperaturen zur Mittagszeit lässt er sein Jackett an. Er ist ein ausgesprochen höflicher Gastgeber, nimmt sich jede Menge Zeit. Interviews gibt der Zollernchef nur selten, in der Öffentlichkeit hält er sich meist zurück und sucht nicht die große Bühne.)
Als echter Preuße müssen Sie standesgemäß heiraten. Denn Bürgerblut ist nicht gleich Blaublut. Wer als potenzieller Hausherr – oder früher Thronfolger – die Falsche ehelicht, wird enterbt. Hat Sie das belastet?
Diesem Druck fühlte ich mich nie ausgesetzt. Ich kenne meine Frau Sophie seit 35 Jahren. Immer wieder haben sich unsere Wege gekreuzt. Bei uns zuhause hängt ein Bild, auf dem wir uns zwei- und dreijährig im Planschbecken gegenüber sitzen. Ich bin glücklich, dass wir uns vor sieben Jahren in Berlin wiedergefunden haben.
Ihr Ururgroßvater Kaiser Wilhelm II. war da kategorisch. Die Ehe zwischen einem Prinzen und einer Bürgerlichen sei so unmöglich „wie die Verbindung zwischen einem Schwan und einer Gans“. Sind solche Hausgesetze nicht antiquiert?
Wir haben gerade in der Familie zusammengesessen und darüber geredet, ob und wie man das nicht auf zeitgemäßere Beine stellen kann. Wir schauen, wie es andere befreundete Häuser machen. Hauptziel soll sein, dass die Familie zusammenhält.
Wie vernetzt sind Sie mit dem europäischen Adel? Fliegen Sie auf ein Tässchen Tee nach London zu Prinz Charles?
Die verwandtschaftliche Verbindung zum britischen Königshaus ist sehr eng. Queen Victoria ist meine vierfache Urgroßmutter, sie starb in den Armen ihres Lieblingsenkels Kaiser Wilhelm II. Seit den beiden Weltkriegen hält sich das britische Königshaus bezüglich seiner Wurzeln und familiären Verbindungen nach Deutschland verständlicherweise zurück. Umso mehr freue ich mich, den Prinzen von Wales bei Festlichkeiten aller Art zu treffen.
Ist es eine Bürde oder ein Privileg, den Hohenzollern anzugehören?
Mit 18 Jahren, nach dem Tod meines Großvaters, wurde ich Chef des Hauses Hohenzollern. Anfangs war das nicht einfach. Da musste ich mich in vieles einarbeiten und oft rechtfertigen. Ich wurde damit konfrontiert, dass die Leute denken, ich warte nur auf die Rückkehr der Monarchie. Dabei hatte ich stets den inneren Antrieb, mir und anderen zu beweisen, dass ich etwas Eigenes aufbauen kann. Ich habe Betriebswirtschaft studiert und jahrelang als Angestellter gearbeitet. Doch die Aufgaben innerhalb der Familie sind größer geworden, vor allem die Verwaltung fordert mich.
Träumen Sie nicht manchmal davon, Kaiser zu sein, mal ehrlich?
Nein, das tue ich definitiv nicht. Meine Familie hat keine politische Verantwortung im Land, und ich möchte auch keine übernehmen. Geblieben ist uns eine kulturelle Verantwortung. Wir erhalten die Burg Hohenzollern als nationales Kulturdenkmal, in Berlin und Brandenburg sind wir als Familie der größte private Leihgeber für die großen Preußenstiftungen.
Wie fühlt es sich an, wenn man weiß, dass von einem Vorfahr der Erste Weltkrieg begonnen wurde?
Ich bin zurückhaltend, was die Kriegsschuldfrage angeht. Es kommen noch immer neue Erkenntnisse dazu. Was mich mehr belastet, ist das Thema Drittes Reich. ‚Die haben uns prostituiert als Familie‘, sagte mein Großvater immer. Die Nationalsozialisten haben von sich behauptet, sie stünden in der direkten Nachfolge der Hohenzollern und führten das Preußentum fort. Das war Bestandteil ihrer Propaganda, die leider vielerorts bis heute nachwirkt.
Einige Mitglieder in ihrer Familie unterstützten die Nationalsozialisten.
Es gab beides, wir führen einen offenen Umgang mit dem Thema. Mein Urgroßonkel Prinz August Wilhelm, genannt Auwi, hat sich in das Nazi-Regime involvieren lassen und hielt Reden für die NSDAP. Mein Großvater Louis Ferdinand und dessen Vater Kronprinz Wilhelm hielten von Beginn an eine enge Verbindung zum politischen Widerstand mit dem klaren Ziel, die Monarchie in Deutschland wieder herzustellen.
Die Preußen-Nostalgie nimmt zu, die historische Schuld verblasst. Das Hohenzollernschloss in Berlin soll 2019 fertig sein. In Potsdam soll der Turm der Garnisonkirche wiederaufgebaut werden. Welche Gefühle löst diese Renaissance bei Ihnen aus?
Das Wort Renaissance klingt im Zusammenhang mit Preußen für viele bedrohlich. Da gab es in der Vergangenheit vor allem diesen Schwarz-Weiß-Blick: Preußen wurde entweder glorifiziert oder ins Gruselkabinett der Geschichte gesteckt. Heute ist der Blick zurück entspannter. Und Preußen ist auch nicht so böse, wie viele denken.

Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen wurde 1976 in Bremen geboren. Er ging in Bremen und Oldenburg aufs Gymnasium. Sein Abitur legte er am Glenalmond College im schottischen Aberdeen ab.

Im September 1994 starb sein Großvater, Prinz Louis Ferdinand senior, in dessen Nachfolge er Hohenzollern-Chef wurde. In Freiberg/Sachsen studierte er Betriebswirtschaft. Der Prinz ist seit 2011 mit Prinzessin Sophie von Isenburg verheiratet. Sie haben vier Kinder: die vierjährigen Zwillinge Carl und Louis, die zweijährige Emma und Heinrich, der vergangenen November auf die Welt kam.