Die Mitglieder des Vereins Schutzbauten bereiten die Ausstellung „Not macht erfinderisch“ vor. Dafür suchen sie Gegenstände aus der Nachkriegszeit.

Feuerbach - Die Stunde Null war gleichzeitig die Stunde der Wiederverwertung. „Viele Haushalte waren bei Kriegsende ausgebombt; Millionen von Flüchtlingen waren auf der Suche nach einer neuen Wohnung, und alle mussten sich neu einrichten.“ Mit diesen Worten erinnert Rolf Zielfleisch an den Frühsommer vor 70 Jahren. Auch Stuttgart war in weiten Teilen eine Trümmerwüste: „Die Gesamtmenge an Schutt betrug 1945 circa 4,6 Millionen Kubikmeter“, schreibt der Vorsitzende des Vereins Schutzbauten in dem Heft „Trümmerbeseitigung in Stuttgart“. Selbst dieser Schutt war damals viel zu wertvoll, um ihn einfach zu entsorgen. Nach mehreren Sortierungsschritten „gelangte der Schutt in einen Steinbrecher, der ihn in eine Korngröße zwischen 5 und 12 Millimeter zerkleinerte. Somit hatte man das Material, das für Splitt oder als Grundstoff für Hohlblocksteine diente. 50 Prozent des Trümmerschuttes konnten damit verwertet werden“, berichtet Zielfleisch.

 

Was in unserer heutigen Überflussgesellschaft in Vergessenheit gerät, ist die Tatsache, dass bei Kriegsende aufgrund des Mangels, der Zerstörung und der Rohstoffknappheit alles, was brauchbar war, für die Herstellung neuer Produkte genutzt wurde. Der Verein Schutzbauten, der unter anderem auch den Tiefbunker am Bahnhof Feuerbach der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, will speziell diesen Recycling-Aspekt der Nachkriegsgeschichte aufarbeiten und bereitet eine Sonderausstellung zu dem Thema vor. Die gesammelten Exponate sollen bei der 10. Kulturnacht im kommenden Frühjahr gezeigt werden: „Gleichzeitig feiern wir als Verein auch unser zehnjähriges Bestehen“, sagt Zielfleisch. Das Thema der Ausstellung heißt: „Not macht erfinderisch – Gebrauchsgegenstände aus Kriegshinterlassenschaften“.

Flugzeugteile wurden als Backbleche genutzt

Jegliche Wegwerfmentalität war damals verpönt, Recyclingideen gefragt. Denn fast das einzige, was Deutschland in diesem Sommer 1945 vorzuweisen hatte, waren riesige Schuttberge und schrottreifes Rüstungsmaterial. Vor allem letzteres war ein begehrtes Gut. „Aus Fallschirmseide wurden Blusen und Brautkleider genäht; aus einer Kanonenhülse oder einer Gasmaskenbüchse wurde eine Kanne hergestellt; aus dem Filter der Gasmaske entstand eine Petroleumlampe; Flugzeugteile wurden als Backbleche genutzt“, zählt Zielfleisch nur einige Beispiele auf. Eines der von ihm bisher gesammelten Exponate sieht aus wie eine Art Einmachglas, das am Rand sogar ein wenig verziert ist: „In Wirklichkeit war es eine deutsche Antipersonenmine aus Glas, die im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde“, erklärt Zielfleisch.

Auch viele Betriebe machten aus der damaligen Not eine Tugend und nutzten ehemalige Kriegshinterlassenschaften. Sie entwickelten daraus Produkte oder Verpackungen für zivile Zwecke: „Henkel füllte sein Scheuerpulver Ata ins Gehäuse einer Eierhandgranate, die Firma Tereson nutzte Gasfiltergehäuse als Dose für seinen Klebstoff.“ All das hat Zielfleisch recherchiert. Ein von der Firma Werner & Pfleiderer produzierter Sparherd gehört zu den Exponaten der Ausstellung. Die Kochgelegenheit wurde aus Schrottteilen gefertigt und sieht so klein aus, als würde sie eher ins Kinderzimmer als in die Küche gehören.

Die Zinken am Rechen waren leere Munitionshülsen

Andere Firmen pressten Flugzeugbleche zu Haushaltsgegenständen um. Zielfleisch zeigt einen Stahlhelm, der nach dem Krieg als Salatsieb Verwendung fand. Die Improvisationskunst war groß. Der Vereinsvorsitzende holt aus einer Glasvitrine im Spitzbunker eine 8,8-Zentimeter-Granathülse einer Flak. Irgendein findiger Kopf hat sie mit dem Lötkolben oder Schweißbrenner bearbeitet und zu einer Wärmflasche umfunktioniert. Schwerter wurden so tatsächlich zu Pflugscharen. Und die Zinken am Rechen waren leere Munitionshülsen. „Was es damals im Überfluss gab, war Kriegsschrott und Halbfertigprodukte für den Krieg, für die es nach Kriegsende keine Verwendung mehr gab. Daraus wurden Dinge für den täglichen Gebrauch gefertigt“, sagt der Feuerbacher, der sich intensiv mit dieser geschichtlichen Epoche beschäftigt hat. „Für die Ausstellung suchen wir noch Exponate als Geschenke oder Leihgaben.“