Die Gruppe der Parkschützer gewinnt bei den Gegnern des Tiefbahnhofs eine immer größere Bedeutung. Am nächsten Samstag organisiert sie eine Protestveranstaltung.

Stuttgart - Sie sind drei von inzwischen fast elftausend. Ursula Binder, Joris Schoeller und Oliver Guhse wollen Bäume im Schlossgarten verteidigen, die wegen Stuttgart 21 gefällt werden sollen. Alle drei gehören zu einem Teil der Widerstandsbewegung gegen das Großprojekt, der in den vergangenen Monaten schneller gewachsen ist, als es seine Macher für möglich gehalten hätten. Sie sind Parkschützer, eingetragen auf der gleichnamigen Internetseite, die vier Stufen des Protests dagegen vorsieht, dass 280 Bäume im Mittleren Schlossgarten gefällt werden sollen: grün, gelb, orange und rot.

Joris Schoeller wohnt in der Werastraße, keine zehn Minuten vom Park entfernt. "Im Sommer ist der Schlossgarten mein zweites Wohnzimmer", erzählt der 44-Jährige. "Ich liebe den Biergarten, ich jogge durch die Anlagen. Der Park macht für mich Stuttgart essenziell aus." Ursula Binder spricht darüber, dass die Bauarbeiten womöglich 25 Jahre lang dauern würden. "Ich will verhindern, dass der Park für den Unfug, den sich alte Männer ausgedacht haben, bezahlen muss", sagt die 49-Jährige.

Die Parkschützer haben den Protest gegen Stuttgart 21 an einen neuen Ort getragen. Bisher stand der Nordausgang des Bonatzbaus wegen der Montagsdemos im Mittelpunkt. Jetzt rückt der Schlossgarten ins Zentrum der Auseinandersetzung: Nächsten Samstag rufen die Parkschützer zum Protest gegen die geplanten Abholzungen auf. Sie rechnen damit, dass zwischen 5000 und 8000 Menschen ihrem Aufruf folgen werden. Neben politischen Reden gibt es Livemusik von Nu Sports und Wortakrobatik von Timo Brunke. Die Bühne wird beim Landespavillon aufgebaut.

Sitzblockaden-Training


Bereits am Freitag stimmte die Künstlerin Kornelia Pfütze mit einer Aktion auf den Protest ein: Sie ummantelte die teilweise bis zu 200 Jahre alten Parkbäume mit Porträts ihrer historischen "Zeitgenossen" wie Eduard Mörike, Marie Curie und Königin Olga von Württemberg.

Der Stachel des Widerstands sitzt tief im Fleisch der Bahn. Wann man mit den Motorsägen anrücken werde, will der Projektsprecher Wolfgang Drexler nicht verraten. Die Anzeichen deuten darauf hin, dass es im Herbst so weit sein könne. Dem Schienenkonzern schwant, wie heikel die Baumfällarbeiten sind: Viele Stuttgart fühlen sich stark mit dem Schlossgarten verbunden. "Ich bin mit den Inlinern oft im Park unterwegs, meine Tochter spielt hier", erzählt Oliver Guhse, der im Westen wohnt.

Der Bahn könnte im Schlossgarten noch einiges blühen. Vor allem am Tag X, an dem die ersten Bäume gefällt werden sollen. Die junge Bewegung der Parkschützer bereitet sich mit erstaunlicher Professionalität auf den Widerstand vor. In einer Mobilmachungskette wollen die Aktivisten sich gegenseitig per SMS informieren, wenn die Motorsägen zum Einsatz kommen. Von nächster Woche an wird der Schlossgarten zudem per Kamera überwacht. Seit kurzem trainieren einige Dutzend Parkschützer Sitzblockaden und das Anketten an Bäume. So wollen sie "auf friedliche Weise" Widerstand gegen die Polizei leisten.

"Wenn Stuttgart 21 kommt, ziehe ich weg."


Diese äußert sich vorsichtig, wenn es um den möglichen Einsatz im Schlossgarten geht. "Wir haben Erfahrungen mit Blockadeaktionen", sagt der Polizeipressesprecher Stefan Keilbach. "Es gibt Spezialisten für solche Fälle." Auf die Polizei könnte eine Menge Arbeit zukommen: Inzwischen haben sich von den 11.000 Parkschützern rund 1100 in der Widerstandstufe "rot" angemeldet. Diese ist wie folgt umschrieben: "Wenn sich genügend weitere Parkschützer anschließen, werde ich mich äußerstenfalls auch den Baufahrzeugen in den Weg stellen oder an Bäume ketten."

Auch für Joris Schoeller und Ursula Binder stehen die Protestzeichen auf "Rot". Der Widerstand gegen den Tiefbahnhof und die Eingriffe in die Stadt ist mitten im Bürgertum gewachsen, er reicht auch über das politische Lager der Grünen hinaus. Er bewegt ruhig formulierende Menschen wie Joris Schoeller dazu, Sätze wie diesen zu sagen: "Die Baustelle bringt 25 Jahre Terror für die Menschen in der Stadt. Wenn Stuttgart 21 kommt, ziehe ich weg."

Fast jeden Samstag leuchtet inzwischen das Banner der Parkschützer im Schlossgarten. Am Infotisch stehen Klaus Gebhard und andere Aktivisten. Gebhard, 52, ist der Macher der Internetseite, der Motor der Bewegung. Eine Frau spricht ihn auf Stuttgart 21 an: "Was hat der Schlossgarten damit zu tun?" Der Medieningenieur runzelt die Stirn. "Sie stehen mitten in einer künftigen Baugrube", sagt er und redet vom Lärm und von der "200 Jahre alten Platanenallee, die dem Projekt zum Opfer fällt."

Unser Park - unsere Stadt


Fünf Meter von Klaus Gebhard entfernt steht eine zierliche Hainbuche. Der Schauspieler Walter Sittler hat den "Widerstandsbaum" im November 2009 gepflanzt. Unbekannte schütten seit einiger Zeit immer wieder Salz neben den Baum, damit dieser verdurstet. Die Parkschützer haben ein Schild neben dessen Stamm montiert. Ihre Botschaft: "Bleiben lassen!"

Am nächsten Samstag, den 24. April, beginnt die Protestveranstaltung "Unser Park - unsere Stadt" um 14.30 Uhr. Sie findet im Mittleren Schlossgarten beim Landespavillon statt.

Weitere Informationen zu den Parkschützern finden Sie unter http://www.parkschuetzer.de ».