Der Kulturverein Wagenhallen hat das Angebot abgelehnt, während des Umbaus der Wagenhallen am Nordbahnhof ins Imwerk nach Feuerbach zu ziehen. Die Nutzer bevorzugen aus mehreren Gründen den Bau eines Containerdorfs.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt vergleicht sich gern selbst mit Städten wie München, Hamburg oder Berlin. Doch im Bereich der Subkultur mangelt es im Gegensatz zur Konkurrenz an geeigneten Flächen. Das Theaterhaus auf dem Pragsattel, die Wagenhallen am Nordbahnhof – und vielleicht bald das Imwerk (IW) 8 in Feuerbach – die Zahl stillgelegter Fabrikhallen und brachliegender Werksgelände, die auch von Künstlern jenseits der Hochkultur genutzt werden können, ist endlich.

 

„Wir haben in diesem Bereich ein Defizit, da sind wir ein Stück weit Opfer unserer wirtschaftlichen Entwicklung“, umschreibt Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) die Tatsache, dass es in Stuttgart vergleichsweise wenig leer stehende Kornspeicher oder ungenutzte Altbauten gibt. Hinzu kommt, dass Szenetreffpunkte wie die Röhre oder das Rocker 33 mittlerweile dicht gemacht haben – aus unterschiedlichen Gründen.

Mit den Wagenhallen hat sich auf dem ehemaligen Bahngelände hinter dem Pragfriedhof ein neues Zentrum für Kunst und Kultur etabliert. Doch Brandschutzauflagen und der Konflikt zwischen Kunst und Kommerz erschweren ein gedeihliches Nebeneinander zwischen dem kommerziell ausgerichteten Kulturveranstaltungsbetrieb und den Kunstschaffenden, die dort Ateliers oder Musikstudios betreiben. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass die Wagenhallen in naher Zukunft mit Millionenaufwand saniert werden müssen, hätte den Künstlern vom Nordbahnhof die Offerte des IW 8 wie ein Lottogewinn erscheinen müssen, dort während der Bauzeit Unterschlupf zu finden. Bei einer Begehung der Räume in Feuerbach Anfang Januar, an der unter anderem der erste Vorsitzende des Kulturvereins Wagenhallen, Robin Bischoff, teilnahm, wurde seitens der kulturpolitischen Sprecher der Gemeinderatsfraktionen sogar eine Subventionierung der Mietkosten aus dem Fonds für Atelierförderung des Kulturamts in Aussicht gestellt

Noch kein Antrag auf entsprechende Förderung.

Doch das Angebot stieß auf wenig Interesse. Bisher liegt nach StZ-Informationen kein einziger Antrag auf eine entsprechende Förderung vor, obwohl die Antragsfrist Ende Januar ausläuft. Vereinssprecher Bischoff bestätigt: „Bei uns geht die Tendenz mehrheitlich in Richtung Containerlösung.“ Dass die Künstler während der Sanierungsphase lieber am Rande des Areals in Behelfsbauten ausharren wollen, hat laut Bischoff mehrere Gründe. Zum einen sei den Künstlern der Standort wichtig, zum anderen sei auch ein gewisses Misstrauen in Bezug auf die Sanierung vorhanden: „Wer weiß, ob die Wagenhallen danach noch ihren jetzigen Charme haben“, sagt Bischoff und spielt damit auf die Absicht an, den Veranstaltungsbetrieb zu vergrößern. Zwar schätze der Verein das Angebot des IW 8, aber man wolle sich auch hinsichtlich der Förderung nicht unter Zeitdruck setzen lassen.

Hinzu kommt bei vielen Künstlern offenbar auch die Unsicherheit bezüglich der Zukunft des IW 8. In der ehemaligen Produktionsstätte des Kühlerherstellers Behr an der Siemensstraße plant ein türkischer Investor ein Kreativ- und Künstlerzentrum nebst Großbäckerei und Behindertenwerkstatt. Bereits vor über einem Jahr hatte der Gemeinderat einer entsprechenden, auf fünf Jahre befristeten nicht industriellen Nutzung des Gebäudes mitten im Industriegebiet zugestimmt. Vor allem die SPD-Fraktion und ihr Baubürgermeister Matthias Hahn hatten seinerzeit freilich Bedenken angemeldet. Stuttgart müsse die raren Flächen für die mögliche Ansiedelung neuer Produktionsbetriebe vorhalten, hieß es damals.

Die Ateliers im Imwerk sind bisher nur geduldet

Seitdem ziehen sich die Baugenehmigung und die Verhandlungen über den städtebaulichen Vertrag zwischen Investor und der Stadtverwaltung hin, in dem die Nutzung des Gebäudes, Vertragsstrafen bei Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen sowie die Dauer der Nutzung festgeschrieben wird. Auflagen über behindertengerechte Zugänge und zum Brandschutz sowie Differenzen über die Option für eine Vertragsverlängerung haben nach StZ-Informationen bisher eine Einigung verhindert. Die wenigen Ateliers, die sich seit der Eröffnung im vergangenen Sommer im IW 8 niedergelassen haben, sind praktisch nur geduldet. Die Geschäftsführerin des Imwerk, Sevil Özlük, ist zuversichtlich: „Ich hoffe, dass wir uns in den nächsten Wochen mit der Stadt einigen.“

Özlük bestätigt, dass mittlerweile immerhin drei Künstler aus den Wagenhallen konkretes Interesse an einem Umzug vom Nordbahnhof nach Feuerbach angemeldet haben – darunter nach StZ-Recherchen auch der stellvertretende Vorsitzende des Kulturvereins Wagenhallen, der Medienkünstler Michi Meier. Das spricht zumindest dafür, dass die Kunstschaffenden keine einheitliche Strategie haben.

Im Gemeinderat und an der Stadtspitze regt sich jedenfalls erster Unmut über deren Haltung. „Wenn man so ein Angebot ausschlägt, kann die Not ja nicht so groß sein“, heißt es im Rathaus. Der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Jürgen Sauer, verweist darauf, dass die von den Künstlern favorisierte Containerlösung die Stadt womöglich sogar teurer käme als ein subventionierter Umzug ins IW 8. Sauer sind Sauer und sein Kollege von den Grünen, Andreas Winter, aber auch auf Baubürgermeister Hahn. Bereits vor zwei Wochen habe man um einen Termin bei Hahn nachgesucht, um die noch offenen Genehmigungsfragen für das Imwerk zu besprechen – bisher ohne Rückmeldung. Hahn wollte sich am Donnerstag auf Anfrage nicht äußern. Allerdings hat das ihm unterstellte Baurechtsamt mittlerweile nach StZ-Informationen Kompromissbereitschaft in Sachen des städtebaulichen Vertrags signalisiert. Sauer und Andreas Winter sind daher guter Hoffnung, zumindest für die Feuerbacher Einrichtung zu einer raschen und konstruktiven Lösung zu kommen.