Im Frühjahr soll das Gotteshaus an der Sophienstraße beseitigt werden. Dann kauft die Württembergische Lebensversicherung das Grundstück der Evangelisch-Methodistischen Kirchengemeinde ab. Am Abriss entzündet sich jetzt jedoch erste Kritik.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Wie eine Bastion der Ruhe und der Kontinuität ragt die Auferstehungskirche der evangelisch-methodistischen Gemeinde in die riesige Baustelle des Einkaufszentrums Gerber hinein; gut geschützt trotzt sie dem Trubel des Aufbaus. Doch der Eindruck täuscht: Seit einigen Wochen ist bekannt, dass das Gotteshaus auch abgerissen wird und einem Neubau weicht (die StZ berichtete). Dagegen regt sich nun leiser Widerstand.

 

Der Stuttgarter Unternehmer und vermögende private Denkmalschützer Peter Seydelmann hält die Kirche für unbedingt erhaltenswert. Im vergangenen Jahr hatte Seydelmann das Wengerterhaus an der Firnhaberstraße 3 aus der Zeit vor 1650 vor der Deponie gerettet und will es vermutlich in Backnang wieder aufbauen. Das Kirchengebäude in rötlichem Sandstein sei zwar schlicht gehalten, sagt Seydelmann, aber dennoch äußerst attraktiv. Der filigrane Glockenturm sei sehr schön, auch die Fenster mit Bleiverglasungen hätten großen Reiz. Vor allem handele es sich um einen Bau mit aufwendigen Steinmetzarbeiten, der vom exzellenten Können der Handwerker künde. „Die Kirche setzt einen wichtigen städtebaulichen Akzent im Gerberviertel“, sagt Seydelmann.

Das Gotteshaus ist erst nach dem Krieg gebaut worden

Die Kirche steht allerdings nicht unter Denkmalschutz. Der Vorgängerbau aus dem Jahr 1879 war im Krieg stark zerstört worden; der heutige Bau knüpft kaum an den ursprünglichen Stil an. „Die Kirche ist so stark vereinfacht aufgebaut worden, dass sie nie denkmalwürdig war“, sagt Ellen Pietrus, die Leiterin der Denkmalschutzbehörde im Rathaus. Sie räumt aber ein, dass die Kirche „einen gewissen Reiz“ besitzt.

Wie so oft tut sich in diesem Punkt der Widerspruch zwischen stadtbildprägenden und denkmalschützerischen Kriterien auf: Pietrus betont, dass ein Gebäude schön und wichtig für ein Viertel sein könne und trotzdem nicht unter Denkmalschutz stehe – nur Häuser, an denen aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder heimatgeschichtlicher Sicht ein öffentliches Interesse bestehe, seien schutzwürdig.

Die evangelisch-methodistische Gemeinde nutzt die Kirche schon seit mehr als zwei Jahren nicht mehr. Die beiden Innenstadtgemeinden seien, da die Zahl der Mitglieder auf 400 geschmolzen sei, am anderen Standort an der Silberburgstraße 134 zusammengelegt worden: „Das war die richtige Entscheidung, denn die Bauarbeiten am Gerber wären eine große Belastung“, sagt Pastor Helmut Rothfuß. Der Abriss der Kirche sei für das Frühjahr geplant. Mit der Württembergischen Lebensversicherung AG, der Investorin des Gerber, gibt es einen Vorvertrag: Wenn das Grundstück frei ist, kauft es die Versicherung. Es darf nicht im Rahmen des Gerber bebaut werden.

Die Verkaufsverhandlungen laufen schon lange Zeit

Wie Immo Dehnert, der Sprecher der Württembergischen, sagt, hat die Versicherung vor allem deshalb Interesse an dem Grundstück, um „nachbarschaftliche Themen mit der Kirche einvernehmlich zu lösen“. Übersetzt soll das wohl heißen: die Kirchengemeinde hatte Einsprüche gegen den Bau des Einkaufszentrums, die mit dem Kauf des Grundstücks abgelöst werden – der eigentliche Kaufpreis dürfte deshalb deutlich über dem reinen Grundstückspreis liegen. Laut den städtischen Bodenrichtwerten kostet der Quadratmeter in der Sophienstraße 2100 Euro. Die Verhandlungen hatten sich über lange Zeit hingezogen.

Zwei Häuser weiter, an der Ecke Tübinger Straße und Sophienstraße, gab es 2011 richtig Streit: Das Gebäude stand unter Denkmalschutz, aber die Württembergische wollte es zum dritten Eingang des Einkaufszentrums machen. Nach langem Hin und Her, bei dem sich vor allem Stadträte der Grünen und der SPD über den Tisch gezogen fühlten, stimmte der Gemeinderat zu. Das Gebäude wird nun so ausgebeint, dass fast nur noch die Fassade stehen bleibt. Die Denkmalschutzbehörde hatte für den Erhalt gekämpft – und war gescheitert. „Es ist jetzt so viel Substanz verloren gegangen, dass wir den Status der Schutzwürdigkeit nicht aufrechterhalten können“, betonte Ellen Pietrus.