Das Einkaufszentrum im Gerberviertel eröffnet am 22. September 2014, die Wohnungen werden etwas später fertig. Die Macher der Mall ­haben knapp zehn Monate vor dem großen Tag einen ersten Blick hinter die Fassade ihrer Baustelle gewährt.

Stuttgart - Eigentlich ist es schwierig, komplexe Prozesse auf einen einfachen Nenner zu bringen. Beim Wandel des Gerberviertels reichen hingegen zwei Kreuze im Kalender: 3. November 2011, Start des Verkehrskonzepts Shared Space an der Tübinger Straße; 22. September 2014, geplante Eröffnung des Einkaufszentrums Gerber. Die Macher der Mall haben knapp zehn Monate vor dem großen Tag einen ersten Blick hinter die Fassade ihrer Baustelle gewährt.

 

Um auf das Gerber-Gelände zu gelangen, muss jeder der 350 Arbeiter mit seinem Ausweis ein gesichertes Drehkreuz passieren. Hinter dem Bauzaun mit den kleinen, bunten Lettern „g“, am Eingang an der Ecke Tübinger und Marienstraße lässt sich erkennen, wie das Center aufgeteilt wird. In den ersten drei Stockwerken sind bereits Fensterscheiben eingesetzt. „Das sind die Geschosse, in denen wir Handel haben“, sagt Klaus Betz, der Leiter der Immobiliensparte des Grundstückseigners Württembergische Lebensversicherung (WL). Darüber sind Büroräume vorgesehen, dahinter Wohnungen und Stadtvillen.

An der Stelle, an der sich in einigen Monaten eine schicke Glastür öffnen soll, führt der Weg derzeit noch zwischen Pressholzplatten hindurch. Eine weitläufige Halle öffnet sich. Die Wände sind noch nicht verputzt. In der Mitte führt eine verhüllte Rolltreppe nach oben. Hier werden Filialen von Edeka, Aldi und DM einziehen. Die Paulinenapotheke, die dem Bau des Gerbers zunächst nicht weichen wollte, wird links neben dem Eingang ihren Platz finden. Die Räume der einzelnen Geschäfte sind bereits zu erahnen. „Die Treppe führt in den Modebereich“, erklärt Betz.

Anlieferung wird zentral über Tübinger Straße erfolgen

250 Millionen Euro investiert die Württembergische Lebensversicherung in das Projekt. Auf dem 13 700 Quadratmeter großen Grundstück befand sich einst der Hauptsitz der Allgemeinen Rentenanstalt, dem Vorgänger der WL. 85 Geschäfte und Restaurants wird es hier geben. 85 Prozent der 24 000 Quadratmeter Handelsfläche seien vermietet.

Die Anlieferung der Waren wird zentral über eine Einfahrt an der Tübinger Straße erfolgen. „Wir planen, die Lkw auf Abruf anfahren zu lassen“, erklärt Klaus Betz. „Es soll keine parkenden Laster geben.“

Von der Paulinenbrücke aus ist eine Reihe der hohen Bogenfenster der Mall zu sehen. Darüber schirmt ein Block mit Büroräumen die dahinter liegenden Wohnhäuser ab. Die Glasfläche des Oberlichts der Mall trennt Büro- und Wohnhäuser. Im Notfall dient das Dachfenster als Rauchabzug. Die Rohbauarbeiten auf der gesamten Baustelle sollen in den kommenden Tagen abgeschlossen werden. Auch von den Wohnungen und den Stadtvillen auf dem Dach des Einkaufszentrums ragen bereits die Betonskelette in die Höhe.

Die Aussicht bleibt

Vom Balkon einer der Stadtvillen reicht der Blick von der Villa Reitzenstein, dem Tagblattturm und dem Rathaus über die ganze Innenstadt. Zwar wird unter der privaten Aussichtsplattform bald ein Wohn- und Geschäftshaus an Stelle der abgerissenen Auferstehungskirche gebaut. Der Aussicht tut das keinen Abbruch. „Dafür wird das Gebäude nicht hoch genug“, sagt Betz.

Die Baugenehmigung für das Projekt soll im Januar vorliegen, hofft die WL. „Dann werden die Gebäude Sophienstraße 21 und 23a, in denen wir derzeit unser Baubüro haben, abgerissen“, erklärt der Immobilien-Chef. Auf dem 1500-Quadratmeter-Grundstück wird sechsstöckig gebaut: Einzelhandel im Parterre, eine Kita im ersten und zweiten Geschoss, Wohn- und Büroflächen darüber. Das Gebäude ist nicht mit der Shopping-Mall verbunden.

Vom Balkon der Villa trifft der Blick auch auf ein Stück der Stuttgarter Stadtmauer, die derzeit hinter der Marienpassage und unter einer blickdichten Schutzverkleidung versteckt liegt. „Die Mauer werden wir so gut es geht inszenieren“, sagt Betz , „aber erst wenn alles fertig ist.“

Kaltmieten betragen 14 bis 17 Euro pro Quadratmeter

80 Wohnungen sollen auf dem Gerber bis Dezember 2014 fertig werden. „Der Handel will zum Weihnachtsgeschäft starten“, sagt der Leiter der Immobiliensparte, „deswegen eröffnen wir das Center vor dem Wohn- und Büroteil.“ Vom kleinen Apartment bis zur Stadtvilla ist alles im Angebot. Die Vermarktung wird im April 2014 beginnen, die Preise für die Kaltmiete liegen zwischen 14 und 17 Euro pro Quadratmeter.

„Ich bin mir sicher, dass wir die Wohnungen in einem Jahr komplett vermietet haben“, sagt Betz. Bei den Büroflächen wird das hingegen nicht so leicht. „Bis Weihnachten werden wir hoffentlich die ersten 1000 von insgesamt 7000 Quadratmetern an den Mann gebracht haben“, sagt er.

Das Gerber steht hier in direkter Konkurrenz mit seinen Nachbarn. Nur wenige Meter entfernt wirbt das Caleido, das unter Regie des Projektentwicklers Hochtief in den vergangenen Jahren entstanden ist, um Gewerbemieter. „30 Prozent Leerstand bis zur Eröffnung wären noch akzeptabel“, sagt Betz mit Blick auf die Büros.

Auf der Baustelle bringen Arbeiter derzeit portugiesischen Naturstein als Fassade an. „Der wurde mit einem starken Wasserstrahl bearbeitet, um eine natürliche Optik zu erzielen“, sagt Betz. Die braungelbe Farbe fügt sich ins Straßenbild der vielen Altbauten ein und passt damit zu einem der Ziele, die sich das Gerber selbst gesteckt hat. „Wir wollen uns ins Viertel und in die Innenstadt einfügen und keine abgetrennte Box sein“, sagt Klaus Betz.