200 000 Euro sollte das Gedenken an die Fotografin Gerda Taro kosten. Die beteiligten Ämter haben diese Vorgabe drastisch überschritten und Aufträge vorab vergeben. Die Lokalpolitiker fühlen sich genarrt.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Es ist alles nur ein Missverständnis. Das argwöhnt jedenfalls Klaus Volkmer. „Vielleicht ist es mir nicht gelungen, das Konzept richtig zu erklären“, sagt er. Volkmer arbeitet fürs Stadtplanungsamt und ist dort beauftragt, sich um die Verschönerung des Gerda-Taro-Platzes zu kümmern. Die vorerst letzte Diskussion seiner Vorschläge dazu endete im Bezirksbeirat Mitte mit einer Merkwürdigkeit. Sämtliche Lokalpolitiker befanden das Gesamtkonzept für gut, trotzdem stimmten drei gegen die Pläne, vier enthielten sich, mancher, der für ein Ja die Hand hob, fühlte sich dazu genötigt.

 

„Wir können nur noch abnicken“, sagte die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle und ärgerte sich noch tags darauf, „dass so ein eigentlich gutes Konzept zu Frust und mieser Laune führt“. Den Frust verursacht das Geld. 200 000 Euro hatte der Bezirksbeirat für das Projekt gebilligt. Nun werden es mindestens 250 000, eher 300 000, vielleicht sogar 350 000 – bisher gibt es nur recht grobe Kostenschätzungen. Den Frust verursacht außerdem, dass die Stadtplaner 50 000 Euro davon bereits ausgegeben haben – als Honorare für eine Historikerin, ein Büro für Design und eines für Landschaftsgärtnerei.

Über Gerda Taros Tod wurde heftig spekuliert

Gerda Taro war Fotografin. Ihre Kindheit verbrachte sie im Elternhaus an der Alexanderstraße. Taro starb im Alter von 26 Jahren bei einem Unfall, als sie im spanischen Bürgerkrieg fotografierte, auch wenn damals heftig über eine eventuelle heimliche Hinrichtung einer ungeliebten Dokumentarin der Kriegsgräuel spekuliert wurde. 2008 wurde die Rasenfläche an der Kreuzung der Alexanderstraße zur Hohenheimer Straße Gerda-Taro-Platz benannt, gleich unterhalb der technischen Oberschule und gegenüber des Bethesda-Krankenhauses. Die Idee, Gerda Taro mit mehr zu würdigen als mit ihrem Namen auf einem Schild, ist schon Jahre alt. Klaus-Peter Murawski, seinerzeit Verwaltungsbürgermeister, inzwischen in die Staatskanzlei aufgestiegen, setzte seinen Wunsch nach einer Gedenktafel durch, etwa so groß wie eine aufgeschlagene Zeitschrift. Schon damals gab es Streit ums Geld. Der Bezirksbeirat weigerte sich, die Tafel zu bezahlen. Das städtische Hauptamt ließ wissen, es habe eine andere Möglichkeit gefunden, sie zu finanzieren. Firmen reichten bereits Angebote ein. Nur aufgestellt wurde die Tafel nie, und irgendwann seit damals glaubt Volkmer, bei einer Bezirksbeiratssitzung den Auftrag bekommen zu haben, sich mit einem ernsthaften Gedenken an Gerda Taro zu befassen, nicht nur mit einer Hinweisschild.

„Das Konzept ist inzwischen überdimensioniert“

So bekam das Büro „Design und mehr“ den Auftrag, ein optisches Konzept für das Gedenken zu schaffen. Die Taro-Biografin Imre Schaber bekam den Auftrag, sich um den Inhalt zu kümmern. Wie viel Geld im einzelnen floss, will Volkmer nicht sagen, „aus Datenschutzgründen“. So „ist das Konzept immer weiter gewachsen und inzwischen überdimensioniert“, sagt der CDU-Beirat Michael Scharpf. Fest steht: Aus einer Gedenktafel wurden neun Metallplatten, auf deren Vorderseite der Name der Fotografin zu lesen sein soll. Auf der Rückseite soll ausführlich über ihr Leben und Wirken informiert werden. 25 000 Euro kosten Material und Installation. Die Kosten für das Konzept und die Planung kommen hinzu.

Volkmers Problem ist, dass andere sich anders erinnern. Dass die mehr oder minder wild wuchernde Grünfläche verschönert werden soll, ist unstrittig. Allerdings waren die Aufträge für das Gedenken „schon vergeben, als ich eingebunden wurde“, sagt Kienzle. „Ich habe die Erinnerung, dass wir die Ausstellungskonzeption zurückstellen wollten“, sagt Annegret Breitenbücher von den Grünen. Erst sollte der Platz für 200 000 Euro neu bepflanzt, mit Wegen durchzogen und auf allerlei andere Art überhaupt als Platz erkennbar gemacht werden. Das Gedenken könne später folgen – wenn Geld in der Kasse ist.

Volkmers Vorschlag ist ein anderer: Für die 200 000 Euro wird nur die Hälfte des Platzes umgebaut, dort werden gleichzeitig die Gedenktafeln aufgestellt. Die Verschönerung der zweiten Hälfte folgt später. Eben diesem Vorschlag stimmte die Mehrheit des Bezirksbeirats zu, „weil es nach der Auftragsvergabe nicht mehr anders ging“, sagt Kienzle. Womöglich ging im Ärger nur die Frage verloren, ob es tatsächlich nicht anders ging. „Doch, doch“, meint Volkmer. „Selbstverständlich wäre es auch andersherum möglich gewesen, nur nicht sinnvoll“. Im nächsten Frühjahr will er mit dem Umbau beginnen – samt Gedenken.