Gerhard Poschner hat mit dem VfB und Dortmund viele Erfolge gefeiert. Vor dem Spiel beider Clubs am Samstag spricht er im Brustringer-Interview über Stuttgarter Paradoxien, die kritische Mentalität der Schwaben und seinen Kumpel Fredi Bobic.

Stuttgart - Wenn der VfB am Samstag Borussia Dortmund empfängt, wird Gerhard Poschner besonders in Erinnerungen schwelgen. Der 43-Jährige absolvierte für beide Clubs insgesamt 286 Bundesligapartien. Mit Dortmund wurde er 1992 Vizemeister und zog dann in das Finale des Uefa-Pokals ein. Seinen größten Erfolg feierte der Mittelfeldspieler allerdings mit dem VfB: den DFB-Pokalsieg 1997. Danach spielte Poschner noch in Italien, Österreich und Spanien. Von 2009 bis 2010 war er Sportdirektor von Real Saragossa. Mittlerweile berät er Vereine – Namen möchte er nicht nennen.

 

Im Brustringer-Interview spricht Poschner über die gegensätzlichen Entwicklungen in Stuttgart und Dortmund, über die kritische Mentalität der Schwaben und alte Anfragen vom FC Bayern.


Herr Poschner, mit welchem Verein fiebern sie am Samstag mehr mit?
(lacht) Das ist natürlich immer wieder dieselbe Fangfrage, auf die ich stets politisch korrekt antworte: mit beiden.

2007 gewann der VfB noch die Meisterschaft, derzeit ist nur Mittelmaß. Der BVB dagegen streitet sich als Doublesieger mit den Bayern um die Vormachtstellung in Deutschland. Wie kam es zu diesen unterschiedlichen Entwicklungen der beiden Clubs? Was läuft beim VfB schief?
Es ist immer wieder dasselbe beim VfB. Immer wenn man Erfolge verzeichnen kann, sind die kommenden Jahre von Misserfolg geprägt. Diesen Schwung, den beispielsweise die Meisterschaft 2007 brachte, konnte der Verein nicht mitnehmen. Stattdessen geriet der VfB durch falsche Investitionen in eine Negativspirale. Und dies wiederholt sich permanent seit 30 Jahren. Ich erkenne da einfach keinen klaren, kontinuierlichen Weg, den der VfB verfolgen möchte. Die Dortmunder dagegen haben nach der gerade noch abgewendeten Insolvenz 2004 die richtigen Lehren gezogen. Der Verein hatte das Glück, junge und hoch talentierte Spieler zu holen und auf dem Trainerposten mit Jürgen Klopp eine großen Fang gemacht zu haben.

Welche Rolle spielt die Nachwuchsförderung aus Ihrer Sicht beim VfB?
Schlussendlich bringt ja die ganze Nachwuchsförderung nichts, wenn die Durchlässigkeit in den Bundesligakader nicht gegeben ist. Die Jugendarbeit beim VfB Stuttgart war immer gut und wird auch immer gut bleiben. Man muss eben die jungen Spieler auch einsetzen wollen – und das ist in den vergangenen Jahren sehr wenig passiert. Das ist doch paradox. Man liest immer wieder: der VfB wäre finanziell nicht auf Rosen gebettet. Allerdings würde es sich in dieser Situation anbieten, noch mehr auf die eigene Jugend zu setzen. Mir fehlt generell eine klare Handschrift beim VfB. Es kann ja nicht sein, dass man alle drei Jahre sehr viel Geld in die Hand nimmt und dann heißt es wieder: es ist überhaupt kein Geld da. Entweder investiert man immer oder man setzt auf den Nachwuchs. So kann auch keine langfristige Identifikation aufkommen.

Welche Unterschiede gibt es zwischen dem VfB und dem BVB?
Der größte Unterschied ist mit Sicherheit die Mentalität der Schwaben und die der Westfalen. Der Schwabe leistet viel, nimmt sich allerdings auch ziemlich schnell das Recht heraus, sehr kritisch zu sein. Diese Mentalität überträgt sich natürlich auch ins Stadion. Die Westfalen sind ein Arbeitervolk, sie unterstützen ihre Mannschaft bedingungslos zu jedem Zeitpunkt des Spiels. Da muss schon viel zusammenkommen, dass die eigene Mannschaft kritisiert oder ausgepfiffen wird. Darin heben sich die Westfalen auf jeden Fall positiv ab.