Gerhard Rüdlin ist jetzt 68 Jahre alt und hat sein Amt als Geschäftsführer der Winzergenossenschaft im südbadischen Efringen-Kirchen aufgegeben. In ganz Deutschland war niemand so lange Chef einer Weinkooperative wie er – ein Rückblick.

Efringen-Kirchen - Zwar glich das Auf und Ab in der badischen Weinwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten eher einer stürmischen See, doch Gerhard Rüdlin war immer eher der Fels in der Brandung. Jetzt ist er 68 Jahre alt und geht als Geschäftsführer der Winzergenossenschaft im südbadischen Efringen-Kirchen in den Ruhestand. In ganz Deutschland war niemand so lange Chef einer Weinkooperative wie Rüdlin. Und das will was heißen, erst recht in dem Anbaugebiet, das sich zwar von der Sonne verwöhnt wähnt, aber auch ein rechter Intrigantenstadel sein kann. Nicht von Ungefähr sprach man in der Branche in den 1990er Jahren von der badischen Krankheit: In dieser Dekade wurden knapp dreißig Geschäftsführer von Winzergenossenschaften gefeuert.

 

Kurzum: Rüdlin ist ein Stück badische Weinbaugeschichte. Im Markgräflerland ist er der ungekrönte Regionalfürst, einer, der fast kompromisslos seine Ziele verfolgt, immer das Wohl seiner Mitglieder auf ein einträgliches Auskommen im Auge.

„Als Stift war ich ein Allrounder“, sagt Gerhard Rüdlin – und eigentlich ist er das ein Leben lang geblieben. Er erinnert sich noch gut daran, wie er im dritten Lehrjahr auf Kundenbesuch fuhr und am Abend mit vier dicken Aufträgen zurückkam. Aber anstatt ihn zu loben, tadelte ihn der Chef, weil er einem Kunden einen kleinen Rabatt gewährt hatte. Und 1971, als er mal wieder in der elterlichen Gaststube kellnerte, trat ein Herr in dunklem Anzug auf ihn zu, und sagte: „Die Bezirkskellerei Efringen-Kirchen sucht einen neuen Geschäftsführer, Sie sind mir empfohlen worden.“ Rüdlin weiß bis heute nicht, wer das war. Dann kam der Jahrgang 1972, geerntet wurde, was an den Rebstöcken hing, und die waren voll. Die Keller quollen über. Rüdlin, wie viele andere Kollegen, mietete alles an, was auch nur annähernd wie ein Behälter aussah, hauptsächlich aber Tankwagen der Bundesbahn. Für den frisch gebackenen Geschäftsführer eine Bewährungsprobe: „In dieser Zeit wusste ich oft nicht, wie es weitergeht.“

Solidarität gab es in der Weinbranche nicht

Weil alle Keller in Deutschland überfüllt waren, waren die Preise im Keller und die Solidarität innerhalb der Branche eher bei Null. Da nahm Gerhard Rüdlin seine Aktentasche aus Kunstleder, die ihn noch viele Jahre begleiten sollte, und klapperte die Supermärkte von Kiel bis Berchtesgaden ab, um seinen Wein aus dem Markgräflerland anzupreisen, hauptsächlich Gutedel. Der Umsatz der Bezirkskellerei schoss um 46 Prozent in die Höhe. Eines nämlich konnte Rüdlin schon immer: reden und überzeugen. Wer so lange an exponierter Stelle waltet und schaltet wie Rüdlin, hat viele Ehrenämter und ebenso viele Feinde. 25 Jahre lang gehörte er dem Präsidium des badischen Weinbauverbands an und fast wäre er einmal dessen Präsident geworden. Doch gegen den Kandidaten vom Kaiserstuhl kam der Markgräfler nicht an. „Das war letztlich gut so, denn beide Funktionen, Geschäftsführer der Kellerei und Verbandspräsident, sind schwer unter einen Hut zu bringen“, sagt er.

Als Geschäftsführer hat er einstens die nach wie vor hinkende badische Weinwerbung verlassen. Später ist er wieder beigetreten und heute der zweitgrößte Nettozahler. „Was mich ärgert, sind die vielen Trittbrettfahrer, was mich ärgert, sind die Sprücheklopfer, die vielen Beteuerungen der Kollegen, an die sie sich nicht halten, kaum ist die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen.“ Im Lauf der Jahre ist seine Kritik recht gemäßigt geworden. Dennoch ärgert sich Rüdlin immer noch über Kollegen, die sich in seinen Augen zu wenig für ihr Produkt einsetzen.

46 Winzergemeinden gehören zur Bezirkskellerei

Gerhard Rüdlin hat die Genossenschaft in 46 Jahren zur zweitgrößten in Baden gemacht. In der Bezirkskellerei Efringen-Kirchen finden 46 Winzergemeinden ihr Zuhause, der Umsatz liegt bei 28 Millionen Euro. Zupass kommt ihm neuerdings auch die Nähe zur Schweiz. Die Hälfte der Laufkundschaft kommt von dort. In Basel gründete er erfolgreich ein Tochterunternehmen. „Ich habe immer den Takt vorgegeben“, meint Rüdlin und der Geschäftsführer des badischen Weinbauverbands, Peter Wohlfahrt sagt, Rüdlin sei ein Gegen-den-Strom-Schwimmer, einer, auf dessen Wort man sich verlassen kann.

„Mit einem guten Jahrgang bin ich gekommen, mit einem guten Jahrgang (2015) gehe ich“, sagt Gerhard Rüdlin mit Zufriedenheit in der Stimme. Jetzt spielt er Golf.