Der Ex-Regierungschef kann sich freuen: laut Gericht muss er seine E-Mails nicht herausgeben. Die digitalen Dokumente waren im Zuge der Auseinandersetzung um Stuttgart 21 ins Blickfeld der Ermittler geraten. Jetzt dürfen sie gelöscht werden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Im Prozess mit dem Land um seine Mails hat Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) auch in zweiter Instanz einen Erfolg erzielt. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg entschied jetzt, dass Mappus Anspruch auf die Löschung seiner Mails aus dem Herbst 2010 hat, die durch einen Zufall erhalten geblieben waren. Damit bestätigte es das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom Sommer vorigen Jahres.

 

Entgegen Mappus’ Votum bekräftigten die Mannheimer Richter aber auch, dass die Mails vor der Löschung dem Landesarchiv als Archivgut angeboten werden müssen. Der Ex-Regierungschef hatte sich dagegen mit der Begründung gewehrt, es handele sich um private Unterlagen. Sie stammen aus einer politisch brisanten Zeit, der Phase des EnBW-Deals und des Polizeieinsatzes im Schlossgarten.

Das Gericht hält den Datenschutz hoch

Die Kopien der Mails waren im Spätjahr 2010 wegen technischer Probleme mit dem elektronischen Postfach des Ministerpräsidenten angefertigt worden und später in Vergessenheit geraten. Die zuständigen Mitarbeiter im Staatsministerium erinnerten sich erst wieder daran, als 2012 durch StZ-Recherchen bekannt wurde, dass Mappus seine Festplatte hatte vernichten lassen. Seither kämpft der Ex-Regierungschef vor Gericht um die Löschung der Mails.

Der 1. Senat des VGH stützte sich in seinem Urteil auf die strengen Vorgaben des Datenschutzes. Entscheidend sei der Zweck, zu dem die Sicherungskopien einst angefertigt worden seien. Dieser Grund – die technischen Probleme – sei jedoch „inzwischen weggefallen“. Die Richter erkannten auch keinen „Rechtsmissbrauch“, der der Löschung der Mails entgegenstehen könnte. Mappus habe zwar möglicherweise gegen seine Pflicht verstoßen, vollständige Akten zu führen. Es fehle jedoch an einem „offenkundigen und schwerwiegenden Verstoß“. Im Staatsministerium habe es nämlich keine eindeutigen und klaren Regeln zur Aktenführung gegeben. Ebenso wenig hätten Vorgaben zur Speicherung von E-Mails bestanden.

Gibt es ein Recht auf Vergessen?

Bereits in der mündlichen Verhandlung hatte der VGH-Präsident Volker Ellenberger angekündigt, man müsse womöglich eine „unbefriedigende“ Entscheidung treffen. Zugleich regte er an, über eine entsprechende Änderung des Landesdatenschutzgesetzes nachzudenken. Der Anwalt des Landes hatte argumentiert, im Staatsministerium dürfe es „kein Recht auf Vergessen“ geben. Sinn des Datenschutzes könne es nicht sein, das Fehlverhalten eines Regierungschefs zu schützen. Mappus’ Anwälte hatten dagegen argumentiert, die Mails gingen die neue Regierung nichts an: sie nannten das Urteil „erfreulich“.

Eine Revision hat der VGH nicht zugelassen. Dagegen kann binnen eines Monats Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden. Ob das Land diesen Schritt geht, blieb zunächst offen. Das Urteil werde geprüft, hieß es lediglich.

–> Kommentar. Zwiespältiger Sieg