Ein junger Mann hat einem Kontrahenten bei einem Streit einen Teil der Ohrmuschel abgebissen. Dafür musste er sich nun wegen schwerer Körperverletzung vor dem Amtsgericht Ludwigsburg verantworten.

Ditzingen - Es sollte eigentlich eine fröhliche Geburtstagsfeier in einer Scheune werden – doch für einen 39-jährigen Mann endete sie auf dem OP-Tisch. Ein anderer Gast hatte ihm „im Alkoholrausch“ – so das Opfer – den oberen Teil des rechten Ohrs abgebissen. Die Folgen sieht man noch heute. Unstrittig war im Prozess vor dem Ludwigsburger Amtsgericht, dass es ein 22-Jähriger war, der zu vorgerückter Stunde zugebissen hat.

 

Doch ob der Angeklagte von seinem Opfer und dessen Bruder zuvor gewürgt worden war und in Notwehr zubiss, oder ob die Aggression nur von ihm ausgegangen war, darüber gab es abweichende Angaben. Sein Verteidiger sprach von Notwehr und forderte Freispruch. Die Richterin sah das aber anders. Sie blieb mit dem Urteil von einem Jahr und einem Monat Haft wegen schwerer Körperverletzung knapp unter der Forderung der Staatsanwältin. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, auch wenn der Angeklagte kurz vorher schon einmal auffällig geworden war, als er alkoholisiert einen Krankenwagen beschädigt hatte. Der junge Mann muss zudem 1000 Euro an sein Opfer zahlen, unabhängig von einer Schmerzensgeldforderung.

Es bestehe kein Zweifel an der Schilderung der Brüder, so die Richterin. Vor allem der Jüngere machte detaillierte Angaben zu jener Nacht, in der er selbst nur ein Bier getrunken haben will. Deutlich mehr waren es dagegen bei dem 22-Jährigen, dem nach „drei, vier, fünf Bier und drei, vier, fünf Schnäpsen“, so dessen eigene Aussage, schlecht geworden sei. Vor der Scheune habe er sich deshalb übergeben müssen und dann seine Freundin angerufen, damit diese ihn abholen komme.

Doch schon bis zu diesem Punkt unterschieden sich die Angaben. Das spätere Opfer habe ihn in der Halle blöd angemacht, weil er mit einem Produkt seines Chefs unzufrieden gewesen sei, so der Angeklagte. Der 39-Jährige konnte sich an keine schlechte Stimmung erinnern, ebenso wenig an die Sekunden vor dem Biss. Er beschrieb den Zustand des Angeklagten ebenso als deutlich betrunkener als dieser selbst. Der Gastgeber bestätigte das. Der Angeklagte habe, anders als behauptet, kaum alleine laufen oder der Freundin ohne Hilfe den Weg erklären können. Die Messung der Polizei ergab allerdings nur 0,5 Promille.

Auch die Schilderungen des Tatablaufs hörten sich unterschiedlich an. Der Bruder des Opfers habe ihm auf dem Weg zum Auto, als er sich wegen Schwindelgefühls zwei Mal hingesetzt hatte, abrupt am Arm hochgezogen, sagte der Angeklagte. Gewaltsam habe dieser ihn auch ins Auto gedrückt. Dann sei das spätere Opfer aufgetaucht, er habe Schläge in den Nacken gespürt und keine Luft bekommen, weil ihn der jüngere Bruder fast im Schwitzkasten hatte. „Ich bekam panische Angst.“ Deshalb habe er auch in das Ohr gebissen, das vor ihm auftauchte. Die Brüder sagten dagegen aus, sie hätten dem Betrunkenen nur helfen wollen, dieser sei aber sehr aggressiv gewesen. Der 22-Jährige habe seine Brille halb heruntergeschlagen, sagte der jüngere Bruder, woraufhin er ihm mit der Faust auf die Hand geschlagen habe.

„Sie wollten nicht in das Fahrzeug, deshalb haben Sie zugebissen“, resümierte die Richterin. Dem Angeklagten sei dabei sehr wohl bewusst gewesen, was passieren konnte. „Der Biss führte zu einer erheblichen Entstellung“, sagte sie. Zudem habe das Opfer heute noch ab und zu Schmerzen.