Update 4.00 Uhr: Wegen einer kaputten Oberleitung haben hunderte Fahrgäste am Mittwochabend stundenlang in S-Bahn-Zügen festgesessen. Die Reparaturarbeiten dauerten bis in die Nacht. Nach Angaben der Bahn ist der Schaden inzwischen  behoben. Die betroffene Strecke sei freigegeben, die S- und Regionalbahnen könnten am Donnerstagmorgen wieder planmäßig verkehren, heißt es.

Stuttgart - Mitten im Feierabendverkehr hat am Mittwochabend eine Oberleitungsstörung den S-Bahn-Verkehr zwischen der Schwabstraße und Vaihingen lahmgelegt, was auch in anderen Teilen des Netzes und an den Bahnhöfen Chaos verursachte. Gegen 17.15 Uhr war kurz vor der Haltestelle Österfeld eine Oberleitung gerissen und auf einen S-Bahn-Zug der Linie S 2 gefallen, der stadtauswärts fuhr. Die Bahn blieb nahe der Vaihinger Höhenrandstraße liegen. Der Kurzschluss und der folgende Stromausfall blockierten den Verkehr der Linien S 1, S 2 und S 3 zwischen Schwabstraße und Vaihingen. Außer der Bahn, die von der Oberleitung getroffen wurde, blieben drei weitere auf der Strecke liegen, eine davon im Tunnel zwischen den Haltestellen Schwabstraße und Universität. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagte ein Notfallmanager der Bahn.

 

Gegen 18.30 Uhr konnten die Rettungskräfte beginnen, die Menschen aus den Zügen zu holen. „Erst musste die Oberleitung von den Technikern der Bahn geerdet werden, vorher durfte natürlich niemand ran“, sagte Jonas Große, der Sprecher der Bundespolizei. Zuerst wurden die 400 Fahrgäste aus der Bahn geholt, die von der Oberleitung getroffen worden war. Dafür stellte die Feuerwehr Ausstiegsleitern auf.

Gegen 19.30 Uhr waren laut der Bahn auch alle 500 Fahrgäste aus dem Zug befreit, der im Tunnel steckengeblieben war. Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Bundespolizei führten sie zu Fuß durch den Tunnel bis zur etwa 500 Meter entfernten Haltestelle Universität. Dort stiegen die Passagiere in Busse um. Doch auch damit war das S-Bahn-Chaos noch nicht vorbei: Erst gegen 20.30 Uhr konnte die Bahn den an der Höhenrandstraße liegengebliebenen Zug abschleppen.

Danach begannen die Techniker damit, die Oberleitung zu reparieren. Am späten Abend kam es auf den Linien S 1, S 2 und S 3 noch immer zu erheblichen Beeinträchtigungen: Die S 1 war zwischen Hauptbahnhof und Vaihingen unterbrochen, die S 2 entfiel zwischen Schwabstraße und Rohr und die S 3 verkehrte nicht zwischen Bad Cannstatt und Flughafen/Messe.

Wie ein Bahnsprecher am frühen Donnerstagmorgen auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung sagte, konnte der Oberleitungsschaden in der Nacht repariert und die betroffene Strecke wieder freigegeben werden. Sämtliche S- und Regionalbahnen sollen ab Betriebsbeginn planmäßig wieder verkehren.

Notbeleuchtung und dicke Luft in den Zügen

Zwischen Vaihingen und Böblingen waren am Abend einige Ersatzbusse im Einsatz. Am Krisenmanagement wurde gleichwohl Kritik laut. Ein aufgebrachter Bahnkunde berichtete, seine Frau habe in einem betroffenen Zug gesessen. Sie und die anderen Passagiere hätten nach der Evakuierung über das Gleisbett zum Bahnhof gehen müssen. „Dort wurden die Menschen überhaupt nicht betreut“, monierte er. Der Sicherheitsdienst, den seine Frau angesprochen habe, habe sogar noch „ein freches Mundwerk gehabt“. Einen Ersatzverkehr habe es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. Ein Twitter-Nutzer schrieb: „Evakuierung ohne Ersatzbusse oder Hinweise zur Weiterfahrt. Danke.“

Einige Passagiere, die im Hasenbergtunnel festsaßen, meldeten sich über den Online-Nachrichtendienst Twitter zu Wort. „Durchsage: Bitte bleiben Sie im Zug und steigen Sie nicht aus“, schrieb etwa Andreas Kegreiß. Der Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn saß kurz vor der Haltestelle Universität fest. Doch nicht alle Passagiere folgten dieser Aufforderung: Im Internet tauchten Bilder von Menschen auf, die sich durch den spärlich erhellten Tunnel auf den Weg machten.

Bei wenig Licht und dicker Luft warteten die anderen Passagiere in den vollen Zügen auf ihre Rettung. Trotz des Frusts, so erzählt der Passagier Kegreiß, sei zumindest in seiner Umgebung keine Panik oder aggressive Stimmung aufgekommen. Nicht alle teilten diese Sichtweise: „Selbst die Nonnen neben mir fluchen“, schrieb ein Passagier auf Twitter. Bahn, Bundespolizei und Feuerwehr meldeten, dass bei der Bergung niemand verletzt wurde. Eine liegengebliebene Bahn hatte bereits die Haltestelle Universität erreicht, als der Strom ausfiel. Eine weitere wurde über die Gäubahnstrecke umgeleitet, bis diese auch gesperrt wurde.