Der Berufspilot und Fluglehrer Rainer Schopf fürchtet sich nicht vor großen Gewitterwolken. Im Gegenteil. Er impft sie, um Landwirte, Obstbauern, Haus- und Autobesitzer vor Hagelschäden zu bewahren.

Gerlingen - Schlanker Körper umhüllt von leuchtendem Weiß, eine keck nach vorne geschürztes Schnäuzchen: Die Partenavia P 68, die auf dem Vorfeld des General Aviation Terminal am Flughafen Stuttgart an schwere Betonklötzen getäut ist, strahlt pure Eleganz aus. Kaum zu glauben, dass die zweimotorige Maschine schon 39 Lenze auf dem metallenen Buckel und etliche Wolkenungetüme bekämpft hat.

 

Der 200 PS starke Sechssitzer aus dem Hause der italienischen Tüftlerbrüder Luigi und Paolo Pascale ist eines jener Flugzeuge, die Rainer Schopf als Hagelflieger nutzt. Der Berufspilot und Fluglehrer, dessen Gerlinger Unternehmen zur Hagelabwehr Landwirte und Firmen aus dem Kreis Ludwigsburg zu seinen Kunden zählt, verweist auf die Enden der langen, gleichwohl robusten Flügel. An deren Unterseite blitzen silbern zwei kapselartige Gebilde. „Unsere Rauchtüten“, sagt Schopf schmunzelnd. Diese Rauchgasgeneratoren beinhalten 20 Liter Azeton, in dem sechs Prozent Silberjodid gelöst ist. „Das Azeton ist zum Abbrennen da, mit dem Silberjodid werden die gewitterträchtigen Wolken geimpft“, erklärt der 55-Jährige. Das Silberjodid – ein in Wasser unlösliches Salz – wirkt dabei wie ein Kondensator: Die Lösung verbindet sich mit den Eiskristallen; diese sinken mit zunehmendem Gewicht ab. Große Hagelkörner verwandeln sich in Eiskristall-Körnchen, je näher sie den bodennahen Luftschichten kommen, schmelzen sie und gehen als Graupel oder Regen nieder.

Das war nicht immer so. Die mitunter eiergroßen Hagelkörner, die in den vergangenen Jahren zunehmend über Deutschland herunterprasselten, hatten großen Schaden gebracht. „Zerschlagene Dächer, zerstörte Ernten“, so Schopf. „Mancher Landwirt hatte echte Probleme, Versicherungen wollten nicht mehr bezahlen oder kündigten.“ Bei einem großen Unterwetter betrugen diese im Schwarzwald etwa 230 Millionen Euro. Daher gründeten die Betroffenen im Schwarzwald-Baar-Kreises und Tuttlingen vor fünf Jahren einen Verein für Hagelabwehr. Schopf hat seitdem auch auf dem Flugplatz in Donaueschingen einen Hagelflieger stehen. Im Monat kostet das rund 25 000 Euro. Dafür zahlen die 3000 Vereinsmitglieder, darunter zehn Kommunen, Beiträge: Privatpersonen 18 Euro, Unternehmen zwischen 50 und 250 Euro. Nach diesem Vorbild haben nun auch die Reutlinger einen Verein gegründet.

Im Rems-Murr-Gebiet indes finanziert der Landkreis die Kosten der Hagelabwehr in Höhe von jährlich 262 000 Euro gemeinsam unter anderem mit den Städten Stuttgart und Esslingen. Mit dabei sind auch die Wein- und Obstbauern der Kreise Ludwigsburg und Heilbronn, die selbst keine Hagelabwehr betreiben, sowie Firmen, etwa aus dem Autobereich, und Versicherungen. Das Schutzgebiet von Rainer Schopf reicht vom Südschwarzwald bis nach Mainhardt, von Lorch bis nach Mundelsheim.

Da dies der einstige Bankkaufmann nicht allein befliegen kann, arbeitet er mit fünf Piloten zusammen. Schopf selbst ist ein Mann der ersten Stunde, seit 33 Jahren im Geschäft der Wetterbeeinflussung. Damals, just den Berufspilotenschein in der Tasche, wollte er zu einer Airline, als er eine entsprechende Anzeige las. „Damit war alles klar“, so Schopf. „Die Technik habe ich mir selbst beigebracht.“ Er betont, dass Hagelfliegerei nichts mit Tollkühnheit zu tun habe. „Gegen die Natur hat man keine Chance, man muss mit ihr arbeiten.“ Er fliege seine Partenavia, meist in rund 1500 Meter Höhe, unter eine Gewitterwolke, gehe dann in den Leerlauf und lasse sich von den enormen Aufwinden nach oben ziehen. „Ist dann die Ladung abgebrannt, legt man die Maschine schräg, so stoppt der Sog, man kommt wieder heraus.“

Gefährlicher als die Aufwinde seien die plötzlichen Abwinde, die das Flugzeug stark nach unten drücken könnten – und Schopf manch heikle Situation bescherte.

Ein großer Anteil seines Berufs bestehe indes aus Wartezeit und ständiger Kontrolle der Wetterdaten, so Schopf. Die erhält er anders als früher nun per Smartphone. „Fünf Wartetage kommen auf einen Flugtag.“ Doch langweilig wird es dem Team um Schopf nicht werden. Nach Wetterexperten wie Mojib Latif und dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel nehmen die Extremwetterereignisse durch die Erderwärmung zu – und damit auch die Bedrohung durch Hagelschlag. Schopf bestätigt, dass sich die Wolkenformation, früher eher flächig, zunehmend konzentriert auftürmten: „Diese extremen Ereignisse finden vor allem über Städten statt. Ballungsräume wachsen, Flächen werden versiegelt. Aufsteigende Wärme kombiniert mit Feuchtigkeit sind ideale Zutaten für ein ordentliches Gewitter.“