Am 24. März 2015 ließ der depressive Copilot Andreas Lubitz eine Germanwings-Maschine in den Alpen zerschellen. Die Angehörigen der 149 Opfer trauern noch immer. Nun aber forcieren sie den Streit um Entschädigung – mit einer Klage in den USA.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Trauer lässt die Hinterbliebenen nicht los – ihre Schilderungen bewegen nach wie vor. Am 24. März 2015 starben 149 Passagiere, weil sie in dem Unglücksflug 4U9525 saßen – dem Airbus A320, den der Copilot Andreas Lubitz zum Absturz brachte, weil er nicht mehr leben wollte. Etwa 600 Angehörige und Freunde der Opfer – unter ihnen 72 Deutsche – werden an diesem Donnerstag zur Gedenkfeier im südfranzösischen Alpenort Le Vernet erwartet. Dort werden sie aber nicht die Frage nach dem Warum ergründen, die die Angehörigen noch immer bewegt. Musste es wirklich so weit kommen? War die Katastrophe zu verhindern? Nachdem die Lufthansa gleich nach dem Unglück für ihr sensibles Verhalten gelobt wurde, wünschen sich die Angehörigen heute, dass mal irgendjemand Verantwortung übernimmt.

 

Dem toxikologischen Gutachten zufolge stand der 27-jährige Andreas Lubitz zum Zeitpunkt des „erweiterten Selbstmords“ unter Einfluss von Antidepressiva und Schlafmitteln. Als Belege dienen Haarbüschel, die man am Absturzort aufgelesen hatte. Entdeckt wurden die Mittel Zolpidem sowie Mirtazapin. Beide Medikamente sollen angstbefreiend wirken, lassen aber zu Beginn der Behandlung das Suizidrisiko wachsen. Nach allem, was die Ermittler herausgefunden haben, hatte Lubitz da schon eine jahrelange Odyssee mit dem Besuch von mehr als 40 Ärzten und Psychiatern hinter sich. Er litt unter starken Depressionen und fürchtete zu erblinden.

Französischer Bericht entlastet die Lufthansa

Schon 2008, vor seiner Zeit an der Verkehrsfliegerschule, war Lubitz deswegen behandelt worden. Dann stoppte er die Ausbildung, begab sich in Therapie. Im Juli 2009 bekam er seine Fluglizenz zurück. Vor dem Absturz wandelte er erneut mit Angststörungen von Arzt zu Arzt. Einer empfahl ihm am 10. März 2015 die Einweisung in die Psychiatrie. So wussten viele von seiner Erkrankung, doch niemand erfasste die Gefahren, zumal nur wenige seinen Beruf kannten. Keiner schlug Alarm.

Im Abschlussbericht der französischen Fluguntersuchungsbehörde BEA wird der Arbeitgeber von Kenntnissen der neuerlichen Erkrankung freigesprochen. Allerdings drängt die BEA darauf, die Ausnahmen von der ärztlichen Schweigepflicht bei Piloten klarer zu definieren. Bisher seien sie nicht konkret genug formuliert. Dies veranlasst Mediziner mangels rechtlicher Sicherheit zu großer Zurückhaltung bei der Weitergabe von Erkenntnissen. Kurz zuvor hatte die Bundesregierung in einem Entwurf zur Änderung des Luftfahrtgesetzes einen besseren Datenaustausch zwischen Ärzten und Behörden angestoßen. Eine flugmedizinische Datenbank soll verhindern, dass kranke Piloten aus Angst vor Aufdeckung häufig den Arzt wechseln.