Aus Angst vor Steuerhinterziehung will die Stadt die privaten Händler vom Flohmarkt auf dem Karlsplatz verbannen – angeblich.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Wie stets verbreitet sich nichts schneller als ein Gerücht. In diesem Fall unter denjenigen, die auf dem Flohmarkt auf dem Karlsplatz allwöchentlich ihre Ware anbieten und damit unter deren Kunden. Die Stadt – genauer: die städtische Gesellschaft Märkte Stuttgart – will nur noch Verkäufer mit Gewerbeschein akzeptieren. Die bunten Flöhe des Marktes sollen verbannt werden, Studenten, die überflüssig gewordenes Spielzeug feilbieten, Erben, die Tante Ernas gesammelten Trödel verscherbeln.

 

Jene Farbkleckse in den Reihen der professionellen Anbieter sollen von 2016 an nur noch zweimal jährlich ihre Stände aufbauen dürfen. „So ist es mir gesagt worden“, sagt Jörg Trüdinger, der Kopf des Flohmarktvereins. Samt der Begründung: Die Stadt fürchtet, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder zum Sozialbetrug belangt zu werden, wenn der eine oder andere an Finanz- oder Sozialamt vorbei verdient. Diese Botschaft hatte auch die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle dem Bezirksbeirat überbracht und wollte das Thema eilig auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung schreiben lassen. Mit dem Tenor: Werden die Gelegenheitshändler verbannt, stirbt mit ihnen der Flohmarkt.

Auch für dieses Gerücht gilt: Es ist schlicht falsch

Allerdings gilt für dieses wie für so viele Gerüchte: Es ist schlicht falsch. „Ich weiß nicht, wer das streut“, sagt Axel Heger, einer der zwei Geschäftsführer der Marktgesellschaft. Für die Freunde des Feilschens um Gebrauchtware sind im neuen Jahr keinerlei Änderungen geplant. Die Stadt will allerdings näher hinsehen, ob diejenigen einen Gewerbeschein haben sollten, die keinen haben. „Das ist Gesetzeslage“, sagt Heger, „und die ist eben einzuhalten.“

Für die verschärfte Kontrolle gibt es einen Anlass. Ende vergangenen Jahres streifte der Zoll über den Flohmarkt. Die Kontrolleure ertappten einen professionellen Händler, der ohne Gewerbeschein verkaufte – oder jedenfalls mit dem falschen. Er war auf den Namen eines verstorbenen Verwandten ausgestellt. „Darauf ging auch eine Anzeige bei uns ein, dass wir Schwarzarbeit zulassen“, sagt Heger. Weshalb nun jeder, der regelmäßig verkauft, auf die Pflicht zur Gewerbeanmeldung hingewiesen wird. Dafür gilt grob: Wer seinen Hausrat anbietet, bleibt steuerfrei. Wer eigens einkauft, um mit Gewinn zu verkaufen, ist ein gewerblicher Händler.

Nach Meinung von Martin Eisenmann ist die Stadt zur Kontrolle eigentlich nicht verpflichtet. Er berät bei der Industrie- und Handelskammer Marktveranstalter. „Die Stadt muss in ihren Regularien haben, dass alles sauber zugehen muss“, sagt Eisenmann. So handhaben es auch die Handelsplattformen im Internet, allen voran Ebay. Dort werden Verkäufer auf ihre Rechte und Pflichten hingewiesen – sofern sie nach ihnen suchen.

Die Furcht, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung belangt zu werden, „finde ich nachgerade abenteuerlich“, sagt Eisenmann. Was für gewerbliche Verkäufer mehr noch als für private gilt. „Bei denen müsste die Stadt dann die Umsätze der letzten zehn Jahre überprüfen“, sagt der IHK-Berater, „und das kann sie einfach nicht“.

Die Nervosität erklärt sich aus der Vergangenheit

Die Nervosität um den Flohmarkt erklärt sich aus der Vergangenheit. Die professionellen Händler frohlocken keineswegs ob des Gerüchts, dass die Stadt ihnen Konkurrenz vom Stand fernhält. Sie glauben, dass mit den Privatverkäufern das Publikum schwindet, denn der Handel auf dem Karlsplatz lag schon einmal im Koma. „Vor 13 Jahren war der Flohmarkt fast am Ende“, sagt Kienzle, „das lag daran, dass immer nur die gleichen Händler da waren.“

Mutmaßlich nicht ausschließlich: Eine Verlegung des Marktes war im Gespräch – mit ihm sollte der tote Pariser Platz belebt werden – und sogar, das Kaiser-Wilhelm-Standbild zu versetzen, um Platz für andere Veranstaltungen zu schaffen. Die Umsätze schwanden. Immer mehr der damals noch vertraglich gebundenen 160 Händler blieben schlicht weg.

6500 Unterschriften wurden gesammelt, für die einfachste Lösung: Alles möge bleiben, wie es ist. So beschloss es letztlich der Gemeinderat. Gleichzeitig „haben wir mit Herrn Trüdinger zusammen das neue Konzept entworfen“, sagt Kienzle. Das beruht eben zur Hälfe auf ständigen und zur Hälfte auf wechselnden Händlern. Auch dies soll bleiben, wie es ist. Alles andere, sagt Heger, „ist eine absolute Ente“.