Boss muss vor allem verlorenen Boden im Onlinegeschäft gut machen. Hier liegt eines der größten Versäumnisse der Vergangenheit beim Modekonzern, findet Wirtschaftsredakteur Thomas Thieme.

Stuttgart - Die Zeit der deutlichen, teilweise zweistelligen Zuwachsraten ist erst einmal vorbei. Nach dem ersten Umsatzrückgang seit sieben Jahren strebt Hugo Boss für das laufende Jahr zumindest wieder eine Stabilisierung der Erlöse an. Dennoch will Boss-Chef Mark Langer nicht von einem „Übergangsjahr“ sprechen, wie es mancher Beobachter des Modekonzerns tut, sondern lieber von einem „Jahr des Fortschritts“. Fortschritt ist für den M-Dax-Konzern jahrelang genauso selbstverständlich gewesen wie die Krawatte zum Anzug. Doch selbst diese ist in den Vorstandsetagen nicht mehr obligatorisch.

 

Gut ein Jahr nach der Ablösung des einstigen Vorstandschefs Claus-Dietrich Lahrs wird immer deutlicher, wie sich das Unternehmen, offenbar berauscht vom eigenen Expansionserfolg und von explodierenden Aktienkursen, ein Stück weit verzettelt hat. Während das weltweite Netz mit eigenen Läden aggressiv ausgebaut wurde, hat man andere Entwicklungen vernachlässigt: Am deutlichsten wird das wahrscheinlich beim Blick auf das Geschäft im Internet, wo Boss heute der Konkurrenz hinterher hechelt. Dass es in den USA und in Großbritannien teilweise bis zu sieben Tagen dauert, bevor der Kunde seine bestellten Waren ins Haus geliefert bekommt, ist nur ein Beleg für den Rückstand, den die Metzinger dringend aufholen müssen.

Statt auf Luxus setzt der neue Chef auf Freizeitkleidung

Auch in modischen Fragen schlägt Langer einen anderen Weg ein. Während sein Vorgänger mit der Marke ins Luxusgeschäft aufsteigen wollte, bleibt er auf dem Teppich. Neben dem Kernprodukt Anzug setzt Langer vor allem auf den Ausbau des sogenannten Casual-Wear- oder Freizeit-Bereichs, wo er großes Wachstumspotenzial für die beiden verbliebenen Marken Hugo und Boss vermutet. Die Submarken Boss Orange und Boss Green verschwinden aus dem Sortiment, was dieses für die Kunden übersichtlicher machen soll.

So haben Langer und seine beiden neuen Vorstandskollegen Bernd Hake und Ingo Wilts ein neues Kapitel aufgeschlagen. Ob ihre Maßnahmen tatsächlich den erhofften Fortschritt bringen, hängt allerdings auch von einem Faktor ab, den sie nicht beeinflussen können: der Entwicklung des Marktes. Bekleidungskonzerne profitieren bisher kaum von der anhaltend guten Konsumlaune. Während die Verbraucher ihr Geld am liebsten für Technik, Reisen oder Wohnen ausgeben, achten viele bei Mode zuerst auf den Preis. Das gilt für das legere Freizeithemd genauso wie für den klassischen, eleganten Herrenanzug.