Selbst bei der Europäischen Union in Brüssel gilt das Tun der Staufen Arbeits- und Beschäftigungsförderung als vorbildlich. Die Mittel, um Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger wieder in Lohn und Brot zu bringen, sind dennoch seit 20 Jahren knapp.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Die Staufen Arbeits- und Beschäftigungsförderung (SAB) bemüht sich seit 20 Jahren darum, Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger wieder ins Berufsleben einzugliedern. Als SAB-Geschäftsführerin ringt Karin Woyta seit Anfang an nicht nur um Akzeptanz, sondern vor allem auch um ihr Budget.

 
Frau Woyta, die SAB feiert am Wochenende ihr 20-jähriges Bestehen. Sind denn 20 Jahre Arbeits- und Beschäftigungsförderung wirklich ein Grund zu feiern?
Ich sage immer allen, die uns beziehungsweise unsere Arbeit nicht wollen – nicht zuletzt aus finanziellen Gründen –, dass wir uns auflösen, sobald es keine Arbeitslosen mehr gibt. Aber solange muss man uns schon noch ertragen. Deshalb feiern wir, dass wir trotz widriger Umstände viel geschafft haben.
Hätten Sie erwartet, dass die SAB eine solch lange Verweildauer haben würde?
Eigentlich wusste ich ja gar nicht ob wir überhaupt anfangen können, da schon damals, genau zum Start der SAB, eine Landesförderung gestrichen wurde. Dann habe ich gerechnet, wie lange das Geld reichen würde – und auch ich arbeitslos bin. Irgendwie sind wir aber von den Nachfragen, von der guten Zusammenarbeit in Göppingen und von unseren Ideen überrollt worden. Seit 2011 war es jedoch anstrengend und schon sehr herb, den Bestand zu sichern.
Schauen wir mal auf die Anfänge zurück: Begonnen hat alles mit einem Gartenbau-Projekt für Sozialhilfeempfänger. Alles war sehr übersichtlich.
Ja, da saß ich noch persönlich im Sozialamt, um die ersten zwölf Teilnehmer mit auszusuchen. Der erste Sozialpädagoge und ich waren immer auf den Baustellen, und ich schaute dann in meinen Arbeitsklamotten beim Landrat Franz Weber vorbei. Da meine Tochter damals fünf Jahre alt war, wurden das Kassenbuch und anderes am Arbeitsplatz Küchentisch erledigt. Heute kann ich mich darüber köstlich amüsieren.
Mit Beginn des neuen Jahrtausends ging es dann aber Schlag auf Schlag.
Da wir keine Zeit für die Vermittlung unserer Teilnehmer hatten, gründeten wir die Staufen Agentur. Und weil Frauen nicht im Gartenbau arbeiten wollten, entstand ein spezielles Projekt mit Haushaltsdienstleistungen, kombiniert mit einer Beratung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diverse Jugendprojekte wurden im Auftrag des damaligen Arbeitsamts ausgeführt. In Geislingen übernahmen wir eine ehrenamtlich betriebene Fahrrad-Recycling-Werkstatt, weil sich die Betreiber nicht länger mit dem ganzen Bürokratismus rumschlagen wollten. Und wir konnten den Waldeckhof für das damals kleine Projekt „Grüne Integration“ pachten. Später entwickelten sich daraus unser Hofcafé, eine Molkerei, ein Hofladen und später der Bioimbiss Suppentöpfle in der Stadtmitte.
Und wie sieht es heute aus?
Wir haben die fachlichen Projekte inhaltlich stetig weiter entwickelt. So wurde aus dem Waldeckhof das Projekt „Agrigent“, heute ein 70 Hektar großer biolandzertifizierter Betrieb, der als „Best-Practice-Projekt“ für die EU-Förderung schon zweimal auf der Brüsseler Konferenz gegen Armut und soziale Ausgrenzung vorgestellt wurde. Die SAB ist ein in vielen Bereichen anerkannter Ausbildungsbetrieb. So gibt es etwa in der Hauswirtschaft ein ausgeklügeltes System, durch das auch sehr schwache Teilnehmerinnen Zugang zu Bildung und Qualifizierung finden. Drumrum bemühen wir uns ständig um Beratungen. Zurzeit geht es dabei um die Teilzeitausbildung von Alleinerziehenden und – ganz aktuell – um etliche Projekte für Flüchtlinge.
Es hat sich viel entwickelt und verändert: Eines ist in 20 Jahren SAB aber immer gleich geblieben. Die – meistens – verzweifelte Suche nach dem notwendigen Geld. Oder?
Flapsig gesagt: Wir hatten noch nie Geld und heute noch etwas weniger. Es gibt überall Steigerungen. Wenn man dann noch weiß, dass mit der sogenannten Instrumentenreform und den Haushaltskürzungen 2011 fast 50 Prozent unseres Budgets eingespart und viele Maßnahmen finanziell gekürzt wurden – tja, da fehlten auf einmal um die 600 000 Euro. Ich habe wieder versucht, EU-Projekte an Land zu ziehen, die aber immer befristet sind. Wenn man denn die Ausschreibung überhaupt bekommt. Du schaufelst also ein Loch zu, ehe sich daneben ein größeres auftut.
Wer oder was macht Ihnen das Leben denn besonders schwer?
Jetzt kann man ja pauschal sagen – die Politik. Aber so einfach ist das nicht. Schwierigkeiten macht unser föderalistisches System, das Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten von einer Ebene auf die andere verschiebt. Fakt ist, dass Arbeitsmarktpolitik im Bundesministerium gemacht wird und dort 2011 massive Kürzungen erfolgt sind. Auch wenn inzwischen wieder einiges an Programmen kam, so richtig ist in der Wirklichkeit und bei uns wenig angekommen. Die Hauptprobleme sind die Projektitis, unsinnige Vorgaben und vor allem der ausufernde Bürokratismus. Notwendig ist Stabilität und Verlässlichkeit.
Wie ist es gerade um die Förderung und damit um die Ressourcen des SAB bestellt?
Momentan tun sich viele Dinge auf – aber nichts kompensiert komplett den Verlust. Da dieses Jahr Projekte auslaufen, beteiligen wir uns wieder mit neuen Ideen an neuen Ausschreibungen und hoffen natürlich auf positive Bescheide. Fest steht: wenn wir die letzten beiden Jahre nicht so viel Unterstützung und Spenden bekommen hätten, würden wir unser 20-Jähriges am Sonntag nicht feiern. An dieser Stelle will ich mich deshalb auch noch ganz herzlich bei allen Spendern und Unterstützern bedanken.
Wenn es um die erforderlichen Mittel geht, sind Sie im stetigen Rennen mit anderen gemeinnützigen Einrichtungen. An welcher Stelle liegt dabei die SAB, sagen wir mal, im Vergleich mit der Lebenshilfe?
Die Lebenshilfe kümmert sich um einen anderen Personenkreis. Aber sagen wir es mal so: die Konjunktur vor allem in Baden-Württemberg ist so gut, dass unsere Klientel zurückbleibt. Vom Betreuungsaufwand her ist unsere Arbeit zwar vergleichbar mit der von leistungsstarken Menschen im Behindertenbereich. Aber wir bekommen in der Regel keinen Cent für Anleitung und kein Geld für Investitionen. Dies ist ein eklatanter Fehler in der Förderung. Vom Image will ich schon gar nicht reden. Unsere Leute gelten immer noch als Faulenzer. Zudem sind wir mit Wettbewerbsneutralität, Zusätzlichkeit und ähnlichem Unsinn belegt – in der Behindertenhilfe und in Justizvollzugsanstalten gibt es das nicht. Mein Traum wäre es, die Menschen nach ihrem Hilfsbedarf zu fördern und nicht nach ihrer Sozialgesetzbuchs-Zugehörigkeit.
Wenn die Feier auf dem Waldeckhof am Sonntag vorbei ist, stoßen Sie dann mit Ihren Leuten auf die nächsten 20 Jahre SAB an?
Mindestens auf die nächsten 100 – außer es gibt von sofort an keine Arbeitslosen mehr.