Im Berufsbildungswerk der Diakonie Stetten steht ein Geschäftsführerwechsel an. Im Interview mahnen sowohl der scheidende als auch der neue dringend eine Verbesserung der Rahmenbedingungen an.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)
Waiblingen - An diesem Donnerstag wird Rainer Gaag nach neun Jahren als Geschäftsführer des Berufsbildungswerks Waiblingen (BBW) feierlich in den Ruhestand verabschiedet. Sein Nachfolger ist der bisherige Geschäftsführer der Remstal Werkstätten der Diakonie Stetten, Roman Hanle. Ein Rück- und ein Ausblick.
Herr Gaag, wie sind Sie vor neun Jahren zum BBW gekommen?
Ich bin schon anderthalb Jahre zuvor von dem damaligen Geschäftsführer Helmut Hekmann angesprochen worden – abends nach Dienstschluss, ganz heimlich.
Was hat Sie an der Aufgabe gereizt?
Zu sehen, wie sich Jugendliche im Verlauf einer Zeit von drei Jahren entwickeln. Wie unsicher sie ankommen in die Berufsvorbereitung hier im Haus und wie stolz und selbstbewusst sie dann das Haus verlassen. Das kann man nur in einer solchen Einrichtung erleben.
Das haben Sie vor Ihrem Antritt kaum wissen können.
Das Berufsbildungswerk Waiblingen hat bundesweit einen sehr guten Ruf. Innovationen haben hier schon immer zum Alltag gehört. Ich denke da beispielsweise an den Hamet. Dieses Instrument der beruflichen Diagnostik ist Ende der 70er-Jahre hier entworfen und ständig weiterentwickelt worden.
Warum war das nötig?
Bis in die 80er-Jahre gab es gewissermaßen nur eine einzige Diagnose: Lernbehinderung. Heute haben wir eine ganz andere Tiefe. Lernbehinderung ist nur eine von zahlreichen Diagnosen. Wir haben eine Zunahme an Menschen mit psychischen Behinderungen, ADHS, Autismus et cetera. Darauf haben wir uns bestens eingestellt.
Dennoch ist die Qualität der Leistungen in der beruflichen Rehabilitation in Gefahr?
Ja, weil sie seit Jahren nicht mehr ausreichend vergütet wird.
Ihre Konstellation beim BBW Waiblingen ist besonders speziell.
Wir sind als Tochterunternehmen der Diakonie Stetten Mitglied im Diakonischen Werk Württemberg. In unserer Satzung steht, dass wir dessen Arbeitsvertragsrichtlinien anwenden. Das heißt, Tarifsteigerungen im Öffentlichen Dienst werden eins zu eins übernommen. Das ist ein Thema, das uns seit Jahren drückt.
Weil die Erlöse nicht im gleichen Maße ansteigen?
Ja, diese Steigerungen werden von der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit bei ihren Vergütungen nicht entsprechend berücksichtigt.
Die neue Mindestlohnregelung hilft Ihnen da nicht weiter?
Es gibt einen Mindestlohn für Aus- und Weiterbildung, der auch in Ausschreibungen von Leistungen genannt werden muss. Dieser Mindestlohn für Lehrkräfte, Meister, Techniker, Sozialpädagogen beträgt in der Stunde 13,40 Euro – ohne betriebliche Altersvorsorge, ohne Jahressonderzahlungen. Wenn man das auf einen Jahreslohn hochrechnet, dann liegen wir pro Person 25- bis 30 000 Euro darüber.
Ist das gerechtfertigt?
Auf jeden Fall, denn die Ausbildung und Erfahrung, die unsere Mitarbeiter mitbringen, verdient auch eine angemessene Bezahlung. Das Berufsbildungswerk Waiblingen ist Teil unseres Bildungssystems, das muss man, glaube ich, immer wieder deutlich machen. Wir wenden uns jenen jungen Menschen zu, die einen besonderen Förderbedarf haben, die es nicht auf Anhieb in die betriebliche Ausbildung schaffen. Aber mit unserer Unterstützung kommen sie dann im zweiten oder dritten Ausbildungsjahr in den Betrieb.