Der Polizeihistorische Verein hat am Pragsattel ein Polizeimuseum eingerichtet. Es kann von März an besichtigt werden. Dargestellt sind große Kriminalfälle sowie die historische Entwicklung der Polizei in der Stadt.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Die Arbeit von acht Jahren und 120 000 Euro Budget, das der Polizeihistorische Verein Stuttgart aufgebracht hat, stecken in den Räumen des neuen Polizeimuseums. Ende des Monats wird es eröffnet, die Vereinsmitglieder schrauben noch die letzten Vitrinen zusammen – aber das meiste steht schon fertig da. „Wir wollen etwas über die Entwicklung der Polizei erzählen“, sagt Michael Kühner, der Vorsitzende des Vereins. Deswegen sind die einzelnen Ausstellungsräume im mehr als 200 Quadratmeter großen Museum im Polizeipräsidium am Pragsattel nicht streng nach Epochen aufgeteilt, sondern widmen sich einem Thema.

 

Da ist zum Beispiel der Raum, der sich den Kapitalverbrechen widmet. Es gibt darin Gegenstände, die faszinierend und doch zugleich abstoßend sind. Diese Faszination des Grauens üben besonders die Exponate im dritten Themenraum aus. Dort hängen die Vorschlaghammer, mit denen der Hammermörder in den Jahren 1984 und 1985 Banken überfiel. Ein Fall, der nicht nur im Gedächtnis blieb, sondern auch für die Polizei ein besonders schrecklicher: Der Mann, der drei Menschen umbrachte, um deren Autos als Fluchtfahrzeuge bei Banküberfällen zu rauben, war ein Polizeibeamter. Die Opfer erschoss er mit der Dienstwaffe, in den Banken schlug er die Schalterscheiben mit dem Hammer ein.

Gruselige Exponate aus der Asservatenkammer

Noch grauseliger das Exponat gleich daneben: ein Stück Zement, in dem man noch den Abdruck eines Körpers sieht, man erkennt auch die eckige Form eines Mülleimers. Das ist ein Beweisstück des sogenannten Zementmordes, den Jugendliche im Jahr 2007 begingen. Sie erschlugen den Abiturienten Yvan in Kernen im Remstal. In einer Wohnung im Stuttgarter Osten versuchten sie, die zerstückelte Leiche in einen Mülleimer einzubetonieren – entschieden sich dann aber für Pflanzenkübel, weil die Tonne zu schwer wurde.

In diesem Raum ist auch die erste Kindesentführung in der Geschichte der Bundesrepublik dargestellt, als der Bub Joachim Goehner 1958 in die Hände eines Verbrechers geriet. Der Täter ermordete das Kind und verlangte Lösegeld. Eine wahre Rarität in der Schau: die Aufnahme des Erpresseranrufes, mit der der Entführer seinerzeit überführt wurde, kann man als Zeitdokument anhören.

Zeitgeschichte findet man direkt nebenan – und der 67-jährige pensionierte Leitende Polizeidirektor Michael Kühner kann aus eigener Erfahrung erzählen, wie es war, im Deutschen Herbst 1977. Die Geschichte der RAF in Stuttgart ist eng verbunden mit der Weiterentwicklung der 1973 von der Stadt ans Land übergegangenen Stuttgarter Polizei. „Wir hatten ja nichts, keine Schutzanzüge oder so“, erinnert sich Kühner, der an jenem denkwürdigen Tag auf Streife war, als Stuttgart stillstand, weil mehrere Bombenanschläge angedroht worden waren. So gesehen sei die RAF „die beste Gewerkschaft für die Polizei“ gewesen“, sagt Kühner. Die Beamten erhielten eine bessere Schutzausrüstung, die Sondereinsatzkommandos wurden ins Leben gerufen.

Polizeiarbeit reagiert auf Veränderungen der Gesellschaft

Auch an anderen Stationen zeigt sich, dass die Polizeiarbeit oft auf Veränderungen im öffentlichen Leben reagiert: so auch bei der Verkehrsüberwachung. Als das Automobil seinen Siegeszug antrat, war die erste Aufgabe, den Verkehr zu regeln. Polizeibeamte steuerten die erste Ampel der Stadt noch von Hand. Auch die erste Unfallbilanz der Stadt ist dargestellt: 1912 geschah am Charlottenplatz der erste Autounfall. Insgesamt waren es 539 Unfälle in diesem Jahr, davon 182 mit Straßenbahnen. Eine der Hauptursachen damals: Es war üblich, auf die fahrende Bahn aufzuspringen.

Dem dunkelsten Kapitel des 20. Jahrhunderts ist ein eigener Raum gewidmet: der Rolle der Polizei unter der Nazi-Diktatur. Wer hier alles wissen will, muss sich recken und um die Ecke schauen. Die Ausstellungsmacher haben sich gedacht, dass die Gestaltung des Raumes widerspiegeln soll,dass es anstrengend ist, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Vier zweifelhafte Karrieren aus jener Zeit stellt das Museum dar: vom einfachen Mitläufer bis zum brutalen Massenmörder aus den Reihen der Stuttgarter Polizei.

Was natürlich auch nicht fehlen darf, ist die kleine Modenschau. Kurz vor Ende des Rundgangs kommt man noch an einer Vitrine vorbei, in der Polizeiuniformen aus verschiedenen Zeiten zu sehen sind. Ein Exponat hat sicher kaum jemand zu Gesicht bekommen: den Uniformrock für die ersten Frauen in der Schutzpolizei im Jahr 1990. „Ich glaube, die wurden nach 14 Tagen wieder ausgemustert", sagt Kühner.