Die deutsche Institution lässt die Vorgängerin Reichsbank und die eigenen Anfangsjahre historisch durchleuchten.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Es war im November 1941, die systematische Deportation von Juden aus Deutschland hatte gerade begonnen. Zu dieser Zeit schrieb der spätere Bundesbankpräsident Karl Blessing, damals Vorstandsmitglied der Kontinentalen Öl AG, einen Brief an einen Untergebenen des Hitler-Architekten Albert Speer: Man möge Mitarbeitern seiner Institution eine sogenannte Judenwohnung zuteilen.

 

Dieser Brief, von dem der Münchener Historiker Magnus Brechtken am Freitag in Frankfurt berichtete, wirft einen Schatten auf den 1971 verstorbenen Notenbanker Blessing. Bislang war über dessen Aktivitäten unter den Nationalsozialisten vor allem bekannt, dass er 1939 zusammen mit weiteren Direktoren der Reichsbank gegen die Finanzierung von Rüstungsausgaben mit der Notenpresse protestierte und dafür seinen Hut nehmen musste.

Die Bundesbank könnte in einem neuen Licht erscheinen

Doch nicht nur der ehemalige Präsident Blessing und sein Vorgänger Wilhelm Vocke könnten nach Abschluss des am Freitag vorgestellten Forschungsprojekts in einem neuen Licht erscheinen – sondern auch die Bundesbank selbst. Die weltweit berühmte Stabilitätsorientierung der Notenbank sei nicht ganz freiwillig zustande gekommen, sagte der an dem Projekt beteiligte Londoner Professor Albrecht Ritschl. Auch sei es „falsch, sie allein auf das Trauma der Hyper-Inflation“ in den 20er Jahren zurückzuführen.

Vielmehr habe es Anfang der 50er Jahre in der Bank deutscher Länder, der unmittelbaren Vorgängerin der Bundesbank, zwei gegnerische Lager gegeben: Das eine habe unter dem Eindruck eines hohen Leistungsbilanzdefizits die Rückkehr zu Beschränkungen des Devisenverkehrs gefordert – also des freien Austauschs von Währungen. Die andere habe für Zinserhöhungen und damit eine Einschränkung der Kreditvergabe plädiert. Dass sich diese Denkschule letztlich durchsetzen konnte, sei massivem Druck aus dem Ausland geschuldet, führte Ritschl aus.

Die Bundesbank finanziert das Projekt mit drei Millionen Euro

Die Professoren Ritschl und Brechtken leiten das auf vier Jahre angelegte Forschungsprojekt zur Geschichte der Reichsbank, der Bank deutscher Länder und der Anfangsjahre der Bundesbank. Es soll die Zeit von der Währungsreform 1923 bis zum Ende von Blessings Amtszeit 1969 abdecken und wird von der Bundesbank mit drei Millionen Euro finanziert. Ritschl ist Professor für Wirtschaftsgeschichte an der renommierten London School of Economics, Brechtken stellvertretender Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in München.

Bislang fehle es an einer umfassenden wissenschaftlichen Aufarbeitung der Weimarer Zeit, des Nationalsozialismus und der Folgen für „die Besetzung von Schlüsselpositionen in der Bundesbank“, teilte die Notenbank mit. Über die Initiierung eines solchen Forschungsprojekts sei erstmals nach dem Amtsantritt von Bundesbankpräsident Jens Weidmann 2011 gesprochen worden. Ein Jahr zuvor hatte das Auswärtige Amt eine viel beachtete Studie zur eigenen Rolle im Nationalsozialismus veröffentlicht, es folgten ähnliche Forschungsprojekte zum Finanz- und Wirtschaftsministerium.