Das Wohn- und Pflegestift Münster wirkt von Ferne wie die zementierte Tristesse, ein eckiger Koloss, der am Hang hockt. Kommt man näher, hört man Meckern, erblickt ein umfriedetes, abschüssiges Grundstück, auf dem zwei Ziegen und zwei Schafe grasen.

Stuttgart - Das Wohn- und Pflegestift Münster wirkt aus der Ferne wie die zementierte Tristesse, ein eckiger Koloss, der am Hang hockt. Kommt man näher, hört man Meckern, erblickt ein umfriedetes, abschüssiges Grundstück, auf dem zwei Ziegen und zwei Schafe grasen. „Die sind mein A und O“, sagt die alte Dame auf der schattigen Bank daneben. Elfriede Katharina Kuch lebt oben im Stift und tuckert täglich mit ihrem „Rennwägele“ – jenem Gefährt mit vier Rollen zum Draufstützen – herunter. Den kleinen Zoo aus pflegeleichten Exoten, afrikanischen Zwergziegen und Kamerunschafen hat die Wilhelma bestückt. Er ist eine Art Brückenschlag zwischen dem Leben im Stift und der Welt draußen. Oder, wie Heimleiterin Brigitte Martin sagt: „Das ist die Fortsetzung unserer Begegnungsstätte im Freien.“

 

Brigitte Martin will ein herzliches und offenes Haus führen und müht sich, den Jungen und Gesunden draußen Berührungsängste zu nehmen. Die vier Viecher vor dem Stift waren ihre Idee. Sie locken Kinder, Neugierige und Tierfreunde an. Es gibt eine Kooperation mit einem Kindergarten und Leute, wie einen Vater, der regelmäßig mit seinen zwei Kindern kommt, um Otto, Josef, Max und Moritz mit Möhren zu erfreuen. Droben im Stift, sagt eine der Pflegerinnen, tritt mancher der 180 Bewohner am Morgen zuerst ans Fenster, um den Schafen und Geißen einen recht schönen guten Morgen zu wünschen. Frau Kuch erledigt das lieber persönlich und geht extra runter an den Zaun. „Wozu hat man sonst ein Rennwägele?“

Kinder und Senioren begegnen sich übrigens regelmäßig am Ziegenzaun – bisweilen auch nach gemeinsamen Sing- und Trommelstunden, die der evangelische Pfarrer und Seelsorger des Pflegeheims, Andreas Fuss, anleitet. Berührungsängste möchte der Mann mit der kräftigen Stimme und der beeindruckenden Schlagkraft an der Gitarre abbauen. Und wer würde sich dafür besser eignen als einer, der selbst keine hat?! Erst stimmt die versammelte Gruppe aus Jung und Alt im Begegnungssaal mit Traumblick übers Neckartal auf sein Kommando mit Schmackes den Schunkelschlager „Es wird in hundert Jahren wieder so ein Frühling sein“ an.

Und schon wechseln die Ein- bis Achtzigjährigen auf Pfarrer Fuss’ Vorschlag hin beschwingt zum rotzigen Liedgut der Toten Hosen über. Lediglich eine ältere Dame runzelt kurz die Stirn über die Songauswahl. Alle anderen schlagen und schmettern in ausgelassener Stimmung das Schicksal der „Zehn kleinen Jägermeister“ bis zum bitteren Ende: „Einmal muss jeder gehn. Und wenn dein Herz zerbricht, davon wird die Welt nicht untergehen: Mensch ärger dich nicht!“