Welcher Wein schmeckt besser: französischer oder württembergischer? Martin Kurrle und Jürgen Off, Kellermeister der Weingenossenschaften aus Ober- und Untertürkheim, sind angetreten, um die Autorin Claudia Leihenseder von ihren Tropfen zu überzeugen.

Obertürkheim - Ich liebe Franzosen. Vor allem, wenn sie in meinem Keller liegen und darauf warten, an einem schönen Abend nicht nur getrunken, sondern genossen zu werden. Medoc, Chateauneuf-du-Pape, Marange: Das klingt wie Musik in meinen Ohren. Württemberger Weine hingegen, um die habe ich ehrlich gesagt bislang eher einen Bogen gemacht. Zu negativ die Assoziation mit dem Trollinger-Liter-Fläschchen für 2,50 Euro, zu schlecht die Erinnerungen an ein ganz bestimmtes dunkles Liquid aus hiesigen Landen, das dann leider sauer aufstieß. Doch war das ein Einzelfall? Lässt sich meine Einschätzung widerlegen?

 

Martin Kurrle und Jürgen Off, ihres Zeichens Kellermeister der inzwischen auch bundesweit und international bekannten Weingenossenschaften aus Ober- und Untertürkheim, sind angetreten, um mich von ihren Tropfen zu überzeugen. Mit dabei haben sie je drei verschiedene Rotweine, ich habe ebenfalls meinen Keller geplündert und komme mit drei Franzosen im Gepäck in die Obertürkheimer Kelter, die Außenstelle der Weinmanufaktur Untertürkheim. Möge der Bessere gewinnen.

Die Skeptikerin darf die erste Flasche kredenzen: ein Fontavin 2010 aus dem Gebiet Côtes du Rhône, recht einfach und für meinen Geschmack für seine drei Jahre richtig gut zu einem deftigen Essen. „Der hat eine gewisse Beerigkeit. Ich habe Sauerkirsche in der Nase“, sagt Martin Kurrle nach dem Schnuppertest. Dann der erste Schluck. Kurrle lässt den Wein über die Zunge laufen, zieht Luft ein, verteilt alles im Mund und spuckt wieder aus. Schnell fällt der Kellermeister des Collegiums sein Urteil: „Dieser Wein muss noch in die Balance kommen.“ Off stimmt zu: „Der müsste länger liegen.“ Die Gerbstoffe bestimmen zu sehr den Geschmack, sagen die Kenner. Als Laie staune ich über die Expertise, doch meine Geschmacksnerven haben zugehört und lernen flugs dazu. Ja, eine Schärfe schmecke ich nun ebenfalls heraus.

Martin Kurrle macht einen Salucci (2011) vom Collegium Wirtemberg auf. Dieser Rotwein – das merke ich auch – ist deutlich dichter im Geschmack und hat Nachhall. Das heißt, selbst nach einer gewissen Zeit schmeckt man den guten Tropfen. Punkt für Württemberg.

Jürgen Off hat bereits die nächste Flasche entkorkt: Mönch Berthold, Jahrgang 2009, von der Weinmanufaktur Untertürkheim. „Reifes Tannin“, sagt Kurrle. Daneben weich und rund, sagt Off. Und ich bin völlig erstaunt: Ich glaube, ich trinke Johannisbeersaft. Die Frucht ist für mich zu stark. Also öffne ich einen 2009er Syrah namens „Chèvre d’Or“ von der Domaine du Jas. Der trifft den Geschmack der Kellermeister eher als mein erster Kandidat: „Der riecht nach mehr innerer Qualität, den finde ich gut, der macht Lust auf mehr“, sagt Kurrle. „Diese Fülle, diese Wärme“, sagt auch Jürgen Off. Na also, mein Wein ist auch nicht so schlecht. Punkt für Frankreich.

Der Syrah vom Collegium (Edition Wirtemberg, 2011) im direkten Vergleich überzeugt mich allerdings nicht. „Dieser Wein ist nicht so kräftig und nicht so reif“, sage ich. „Das sind unterschiedliche Typen“, erklärt Jürgen Off. Sein Untertürkheimer Merlot (2010) schmeckt für mich nach Frucht, aber auch nach Säure. Als schlanker Wein für den Sommer ist er geeignet, trotzdem nicht ganz mein Geschmack.

„Das ist meine heimliche Vorliebe“, sagt Martin Kurrle und schenkt einen Spätburgunder Reserve (2010) ein. Ein Burgunder, der müsse dominiert sein von Frische. Tatsächlich: Für mich transportiert die Säure, die ich schmecke, eben dies. Der Wein entwickelt sich im Gaumen. „Viel Aroma“, sage ich anerkennend. Der Spätburgunder trifft meinen Geschmack absolut. Wieder Punkt für Württemberg.

Doch wir sind noch nicht am Ende, auch Frankreich fährt auf: Meine kleine Flasche Medoc (Chateau Pontac Gadet 2009) lässt selbst die erfahrenen Kellermeister staunen. „Ein eleganter Typ“, sagt Off. Und dann kommen die positiven Schlagworte: Kraft, Fülle, Eleganz und Anregung. „Gute Säure“, sagt Kurrle. Da habe sich jemand bei der Weinproduktion etwas gedacht.

Der Knaller kommt zum Schluss: Lemberger, das klang für mich bislang nach langweiligem Trollinger und „lieber im Regal stehen lassen“ oder „zum Zwiebelkuchen Runterspülen“. Doch die Untertürkheimer Version, Jahrgang 2009, haut mich um. Schon der Duft ist sagenhaft. Er schmeckt erdig, kräuterig, einfach klasse. „Der Lemberger steht auch für unser Anbaugebiet“, sagt Kurrle zufrieden. Deutsche und Franzosen sind am Ende also gleichauf.

Und mein Fazit? Die Württemberger haben sich soeben ein Plätzchen in meinem Keller – und in meinem Herzen – erobert. Die Franzosen müssen wohl etwas zusammenrücken im Regal. Und trinken werde ich nun beide.